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Lagebesprechung

Manchmal bilden sie Blasen, gelegentlich locken sie Haie an, und immer ist die Lage das erste Kriterium für ihren Preis. Wer in Hamburg eine Immobilie finden will, die zu ihm passt, braucht meistens professionelle Hilfe: Hamburg und die HafenCity aus der Perspektive von Grossmann & Berger

Grossmann & Berger

Lars Seidel, bei Grossmann & Berger Geschäftsführer des Bereichs Wohnen, und Andreas Rehberg, Geschäftsführer des Bereichs Gewerbliche Vermietung

Mit einem Anteil von 30 bis 40 Prozent an gewerblichen Vermietungen ist Grossmann & Berger in Hamburg Marktführer. Von der Alten Wöhr in Barmbek bis zur Perlenkette am Hafenrand, von den Tanzenden Türmen bis zum Ericuscontor vermittelt das Maklerhaus Flächen, inzwischen auch Wohnungen. Seit 2008 zeigt Grossmann & Berger auch verstärkt Präsenz in den Stadtteilen, mit „Shops“ wie in der HafenCity. Das ist die sichtbare Gestalt eines Wachstumskurses, den das Unternehmen seit einigen Jahren verfolgt und der es von der Elbe an die Spree geführt hat und vielleicht noch weiter an den Rhein oder an die Isar führen wird.

Ein großer Teil der insgesamt 140 Mitarbeiter beschäftigt sich mit Wohnungen. Kein Wunder, gehört doch der Wohnungsmarkt an der Elbe zu den besten in Deutschland. In keiner anderen Großstadt sind die Mieten in den letzten Jahren so angestiegen wie in Hamburg. Auch der Preis für Neubauten hat laut Bauträgermarktbericht von Grossmann & Berger in allen 21 Stadtteilen angezogen. An dieser Entwicklung wird voraussichtlich auch die Wohnungsbaupolitik des Senats wenig ändern. Zwar scheint die Zahl von 93.000 fehlenden Wohnungen, die Engel & Völkers in einer Studie aus dem letzten Jahr vorlegte, etwas zu hoch gegriffen; aber auch, wenn der Senat mit seiner Einschätzung von 30.000 bis 40.000 richtig läge, sind Neubauten in dieser Größenordnung in absehbarer Zeit unrealistisch. Und während verhältnismäßig wenig neue Wohnungen auf den Markt kommen, ist die wirtschaftliche Situation vielversprechend, die Bevölkerung wächst, ebenso ihr Flächenverbrauch. Investitionen in Wohneigentum ist attraktiv. Dadurch sind inzwischen sogar Randlagen wie Barmbek, Billstedt oder die City Süd als Wohnorte interessant geworden. Trotzdem bleibt der klassische Altbau in den gründerzeitlichen Vierteln ungeschlagener Spitzenreiter in den Nachfragestatistiken, und das trotz Quadratmeterpreisen von fast 5.800 Euro in Harvestehude oder 3.500 Euro in Winterhude. Viertel wie Eppendorf oder Winterhude führen die Preistabelle aber nicht an, denn dort ist in den vergangenen Jahren verhältnismäßig viel gebaut worden, sodass sich die Preise dort nicht stark verändert haben. Tabellenführer in der Neubauliga ist vielmehr die HafenCity. Dort lag der durchschnittliche Angebotspreis für Neubauwohnungen laut Handelsblatt im Jahr 2011 bei über 6.000 Euro pro Quadratmeter.

Viele neue Mieter der HafenCity haben in der alten City geeignete Büroflächen gesucht, aber nicht gefunden

Seitdem in der HafenCity die ersten Wohnungen fertiggestellt und bezogen worden sind, hat sich ihr Wert bedeutend gesteigert. Am Kaiserkai, an dem Grossmann & Berger unter anderem das H2O-Gebäude vermarktet, spricht man offen über 50 Prozent innerhalb weniger Jahre. Eine solche Preissteigerung wird zwar für die kommenden Jahre nicht mehr erwartet, Wohnungsleerstand ist dort aber auch nicht zu erwarten. Besonders im Luxussegment ist die Nachfrage in der HafenCity groß. Eigentumswohnungen mit Quadratmeterpreisen, die weit über den durchschnittlichen 6.000 Euro liegen, bleiben nicht lange in den Schaufenstern oder auf den Webseiten. Andererseits musste Lars Seidel, Geschäftsführer bei Grossmann & Berger für den Bereich Wohnen, feststellen, dass die Zweitvermarktung heute stellenweise nicht so einfach ist. Wohnungen, deren Zuschnitte und Abmessungen zur Bauzeit marktgerecht waren, sind heute nicht mehr für alle Nachfrager geeignet: zum Beispiel eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 90 Quadratmetern Wohnfläche, offener Küche und einem großen Wohnzimmer, das ideal für jemanden war, der zwar in Hamburg eine Wohnung unterhalten wollte, aber nicht hier lebte. Gemessen an den gegenwärtigen Ansprüchen und Preisen werden eher Wohnungen gesucht, die „normale“ Zuschnitte haben, etwa zwei Zimmer mit 65 Quadratmetern oder drei Zimmer mit 85 Quadratmetern, wobei auch in diesen herkömmlichen Wohnungen in der HafenCity Quadratmeterpreise zwischen 16 und 18 Euro aufgerufen werden.

Ganz anders verhält es sich auf dem Büromarkt, nicht nur in der HafenCity. So schätzte BNP Paribas Real Estate im Jahr 2010 den Büroleerstand in ganz Hamburg auf 1,1 Millionen Quadratmeter, über 20 Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr. In der HafenCity musste zwischenzeitlich mit einem Leerstand von 17 Prozent umgegangen werden. Gleichzeitig wurden weitere Büros gebaut oder geplant. Das Überangebot hielt die Preise unten.

Das Ericuscontor

Das Ericuscontor ist eines von zahlreichen Gewerbeobjekten aus dem Immobilienportfolio von Grossmann & Berger in der HafenCity

Aber diese schwierige Phase scheint vorerst überwunden worden zu sein. Der Leerstand in der HafenCity hat sich fast halbiert. Andreas Rehberg, bei Grossmann & Berger Geschäftsführer des Bereichs Gewerbliche Vermietung und seit 2012 Sprecher der Geschäftsführung, prognostiziert vorsichtig, dass er noch weiter zurückgehen wird, auch wenn sich der Hamburger Büromarkt nicht überall gleich entwickelt: Während nämlich die Mieten in der HafenCity wieder steigen, haben sie sich in anderen Bereichen der Innenstadt nicht verändert. Verglichen mit der alten City ist die HafenCity zwar teurer – Büromieten bewegen sich in der Spanne zwischen zwölf und 24 Euro pro Quadratmeter –, aber sie ist besonders für potente Dienstleistungsunternehmen interessant, die keinen reinen Funktionsstandort suchen, sondern sich auch ein Büro mit Elbblick gönnen wollen. Die Suche nach attraktiven Bürolagen ist vor allem deshalb relevant, weil in der alten City nur sehr wenige Möglichkeiten für Neubauten gegeben sind. Verlierer dieser Entwicklung sind trotz des Preisgefälles die klassischen Innenstadt-Standorte wie die Neustadt. Viele neue Mieter der HafenCity waren bereits in Hamburg ansässig und haben dort geeignete Flächen gesucht, aber nicht gefunden. Auf diese Weise konnte Grossmann & Berger zum Beispiel der Buss Group 4.700 Quadratmeter im Hamburg-America-Center vermitteln, nachdem sie entschieden hatte, mit ihren 120 Mitarbeitern aus dem Freihafen zu ziehen. Dasselbe gilt auch etwa für das Beratungsunternehmen Esche Schümann Commichau, das ebenfalls über Grossmann & Berger vom Herrengraben ins neue Büro mit 6.600 Quadratmetern im Haus Java wechselte.

Das Überseequartier hat hingegen aus Sicht von Grossmann & Berger eine Sonderrolle und muss nach anderen Maßstäben gemessen werden. Nachdem sich das Investorenkonsortium aufgelöst hatte, stand dort der gesamte südliche Abschnitt des Vorhabens zur Diskussion. Dieses Quartier muss aber zügig weiter gebaut werden, um den nördlichen Teil an die Elbe anzuschließen; andernfalls bleibt es eine Art Sackgasse. Gleichzeitig ist es notwendig, die Realisierung der Wohngebiete am Lohsepark und rund um den Baakenhafen zu beschleunigen: Denn diese Viertel mit ihren hohen Einwohnerzahlen bringen mehr Menschen und damit neue Impulse und eine andere Dynamik in die benachbarten Quartiere. Gerade gesellschaftliches Leben ist das, woran gemessen wird, ob ein Standort gut ist oder nicht. Sobald diese Schritte umgesetzt werden, wird sich die Situation im Überseequartier ändern, denn die HafenCity ist grundsätzlich attraktiv, für Bewohner wie für Unternehmen: die Wasserlage, die Gebäudequalität, die Nähe zur City und die Anbindung durch die U-Bahn. Für Dienstleister, für Werbeagenturen oder Wirtschaftsprüfer ist sie ein begehrter Standort; eine Anwaltssozietät würde zum Beispiel nicht in die City Süd ziehen.

Dabei wird sie, so Andreas Rehberg, schlechter geschrieben als sie ist. Sie ist ein unverändert starker Büromarkt, vor allem, weil sie mit zehn Euro pro Quadratmeter der günstigste zentrale Standort in Hamburg ist. Zwar hat sich der Büromarkt allgemein stabilisiert, aber kostensensible Unternehmen etwa aus dem IT-Bereich weichen gerne auf preisgünstige Standorte aus, wenn sie zu Einsparungen gezwungen werden. Aus diesem Grund genießt die City Süd bei Grossmann & Berger auch vollste Aufmerksamkeit. Ein weiterer Bereich, der dort sorgsam gepflegt und ausgebaut wird, ist die Projektplanung bei Neubauten. Das Maklerhaus steigt zum Teil mit zwei bis drei Jahren Vorlauf in ein Projekt ein, zum Beispiel um zusammen mit dem Bauträger die Grundrisse zu überarbeiten oder die nachgefragte Architektur zu diskutieren. Der Verkauf ist am Ende die Krönung.

Text: Nikolai Antoniadis, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 22, Juni–August 2013 , Rubrik:    
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