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Brücke zum Buffet

Im Sommer 2014 wird das erste Hotel in der Speicherstadt seine Tore öffnen – und Block O mit der historischen Kaffeebörse im Zeichen des Genusses wieder gemeinsam genutzt
Kaffeebörse

Die Kaffeebörse am Brooksfleet im ursprünglichen Zustand – bald werden hier Hotelgäste frühstücken können (1)

Werner Kallmorgens Wiederaufbau der Speicherstadt verdankt die Nachwelt das denkmalgeschützte Bürohaus in Block O (Am Sandtorkai 4–5), das Mitte der 50er Jahre als Skelettbau mit Backsteinausfachung entstanden ist. Seit 1887 konzentrierte sich in Block O der Kaffeehandel. Die hier befindlichen Kontor- und Lagerhäuser des ersten Bauabschnitts der Speicherstadt sind bis auf den malerischen Kopfbau im Zweiten Weltkrieg zerstört worden.

Thomas H. Althoff, laut manager magazin der „erfolgreichste deutsche Edelhotelier“, wird in Block O unter dem Dach der Althoff Hotels ein Haus im Vier-Sterne-Plus-Segment der Marke Ameron Collection betreiben. Seit Ende 2012 wird gebaut, und im Sommer 2014 öffnet das Hotel voraussichtlich seine Glastüren. Als Gäste erwartet General-Manager Michael Lutz sowohl Städte- als auch Geschäftsreisende. Die notwendige Kapazität für Tagungen bietet die ehemalige Kaffeebörse.

Hotel Speicherstadt

Das Innendesign des neuen Sterne-Hotels am Sandtorkai und des Restaurants am Brooksfleet lehnt sich an die Bauzeit der Gebäude an. (2, 3, 4)

2009 hat das Entwicklungsteam der HHLA-Immobilien mit seinen Überlegungen für ein Hotel in der Speicherstadt begonnen. „Alle Entwürfe zielten darauf, das Hotel und die ehemalige Kaffeebörse integriert zu entwickeln“, so Rainer Nelde, bei der HHLA zuständig für den Immobilienvertrieb. „In der Kaffeebörse wird das Restaurant untergebracht. Der Hotelbetreiber kann daher im Block O zusätzliche Zimmer einplanen.“ Dort entstehen die Lobby, 192 Zimmer und Suiten, dazu eine Bar und der Wellnessbereich.

Den architektonischen Clou stellt die ebenfalls von Kallmorgen gebaute freischwebende, verglaste Fußgängerbrücke über das Brooksfleet dar, die Block O mit der Kaffeebörse verbindet. Tatsächlich hatte Kallmorgen den Komplex als Einheit geplant. Die Kaffeekaufleute sollten aus ihren Büros über die Brücke schnell zur Börse gelangen. Bald werden hier Hotelgäste auf ihrem Weg zum Frühstück den Ausblick über das Fleet und Hamburg von seiner schönsten Seite genießen. „Die Kaffeebörse bietet eine Vielzahl von authentischen Speicherstadtdetails. Das macht sie zum idealen Ort für die Gastronomie des ersten Hotels in diesem Quartier“, so Nelde.

Architektonisch fällt die Kaffeebörse aus dem Rahmen der Speicherstadt. Besonders augenfällig ist die Tatsache, dass sie aus hellem Naturstein und nicht aus Backstein errichtet wurde. Die Kaffeehändler haben das Bauwerk seinerzeit gern mit einem Tempel verglichen – dazu passen die sakral anmutenden farbigen Glasfenster der Firma Kuball mit den abgebildeten Kaffeepflückern auf der Plantage.

Der Kaffeehandel war ursprünglich eine der wichtigsten Branchen der Speicherstadt. Der Versuch, mit der 1956 errichteten Kaffeebörse wieder Anschluss an die etablierten Börsen in New York und London zu finden, scheiterte aber schon zwei Jahre später – ein Abstieg, der bereits mit dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte.

In der Folgezeit blieb der Börsensaal im Originalzustand erhalten. Lediglich der Boden und die Inneneinrichtung werden für das Hotel erneuert, die Tafeln für die Börsenkurse, die Holztonnendecke mit den Kronleuchtern und die bunten Glasfenster bleiben erhalten.

Was den Hochwasserschutz angeht, ist der Standort für das Hotel perfekt. Über das Parkhaus gibt es eine Anbindung an die Kibbelstegbrücke und damit für den Fall einer Sturmflut einen Fluchtweg für die Gäste, aber auch eine Zuwegung für die Feuerwehr. Damit das Hotelgebäude trocken bleibt, muss im Keller eine wasserdichte Wanne eingezogen und vor dem Haupteingang ein mobiles Schutzsystem gebaut werden.

Hotel

Die Fassade bewahrt in Teilen den ursprünglichen Charakter des früheren Bürohauses (5)

Stefan Waselowsky vom Architektenbüro Winking + Froh, im Auftrag des Bauherren zuständig für den Entwurf: „Der Grundgedanke für den Umbau der Kallmorgen-Gebäude zu einem Hotel ist ein Weiterbauen“. Es solle nur „behutsame Eingriffe“ geben, die die „formalen Grundelemente der Gebäude“ aufnähmen: So finde sich beispielsweise das Raster aus Naturstein von Block O in der neu geöffneten Eingangsfassade und dem neuen Vordach wieder.

Beim Entkernen des Gebäudes wurde dem Architekten Bernhard Winking auch die sensible Statik des Bürogebäudes klar. „Es wurde kein schlechtes Material benutzt, aber Kallmorgen ist sehr ökonomisch vorgegangen. Da wurde kein Gramm zu viel Zement und keine Tonne zu viel Stahl verbaut“, äußert er gegenüber dem Historiker Holmer Stahncke.

Die Innenarchitekten und Designer planen, bei der Ausstattung des Hotels die Geschichte des Ortes zu berücksichtigen. So sind die Zimmer, bezugnehmend auf die 50er und 60er Jahre, im Retro-Look gestaltet. Das Restaurantkonzept ist bereits weitestgehend fertig – fest steht bereits jetzt, dass die ehemaligen Kaffeebörse alle Besucher der Speicherstadt willkommen heißen wird.

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Thomas Hampel (1), Ulrich Helweg (2), Visualisierungen: GEPLAN (3, 4, 5)
Quartier 24, Dezember 2013–Februar 2014 , Rubrik:    
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