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Der kuriose Krimskran

Exotisches, Seltenes und Unglaubliches: Die Exponate, die im Laufe von mehr als 60 Jahren in Harry’s Hafenbasar zusammengetragen wurden, sind ein wunderbares Sammelsurium. Seit kurzem hat die Sammlung eine neue Adresse: Sie ist auf dem Schwimmkran GREIF im Traditionsschiffhafen zu finden
Harry's Hafenbasar

Der Ruf von Harry’s Hafenbasar ist inzwischen fast genauso legendär wie seine Ausstellungsstücke

Dr. Gereon Boos ist ein Mann mit vielen Fähigkeiten, Talenten und Berufen: studierter HNO-Facharzt mit zusätzlichem MBA-Abschluss als Kaufmann, Pharma-Manager bis zum Vorstand einer Aktiengesellschaft, dann Unternehmensberater einer Krankenkasse, von Schauspieler Karlheinz Böhm nach Äthiopien entsandter Entwicklungshelfer, examinierter Schamane, schließlich Museumsdirektor und – wie er selbst berichtet – „demnächst auch noch Klomann“. In der HafenCity enterte er eine Schiffszimmerer-Genossenschaftswohnung,  als drum herum noch Wüste vorherrschte. Seit kurzem residiert er mit der legendären St. Pauli-Institution „Harry’s Hafenbasar“ auf dem alten Schwimmkran GREIF im Sandtorhafen.

Gereon Boos

Gereon Boos übernahm die ausgefallene Sammlung im Herbst 2011 von den Erben des Gründers Harry Rosenberg

Der gebürtige Bonner – ist er ein Verrückter, Spinner, Philosoph, Aussteiger oder etwa ein Exemplar der Hamburger Gattung „He Lücht“? Hamburger jedenfalls möchte er für sein Leben gern sein. Wer ihn kennen lernt, sieht ihn auf gutem Wege zur sprichwörtlichen Hamburgensie. Wie das, was er seit wenigen Wochen unter der Ägide der Stiftung Hamburg Maritim im Traditionshafen der HafenCity vorstellt: „fliegende“ Giraffen, poppende Pandas, martialische Waffen, originellen Schmuck und gruselige Masken – eine Kunst-, Kultur- und Kuriositätensammlung aus aller Herren Länder, die seit der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zunächst vom legendären Käpt’n Haase, ab 1934 durch seinen Nachfolger Harry Rosenberg von in Hamburg einlaufenden Seeleuten eingesammelt, gehortet und an wechselnden Waterkant-Standorten zur Schau gestellt wurde: „Harry’s Hamburger Hafenbasar“ – ein gleichnamiges Virus befiel den jungen UKE-Assistenzarzt Boos etwa Mitte der 90er Jahre. Seitdem trieb er sich regelmäßig im Umfeld Rosenbergs herum, auch noch, als das Hamburger Original aus Fürstenberg an der Havel im Jahr 2000 verstarb und die Kette rauchende Tochter Karin das Erbe antrat. Als diese 2011 schließlich selbst das Zeitliche segnete und der ganze Laden an die damals 17-jährige Enkelin Kim fiel, schien das Ende des legendären Kuriositätenkabinetts von angeblich mehr als 365.000 Exponaten inklusive mehrerer Dutzend südamerikanischer Schrumpfköpfe gekommen zu sein. Aber während sich Polit- und andere -größen, gelegentlich auch selbsternannte Fachleute an „runden Tischen“ im Kiez über das Schicksal des Rosenberg-Nachlasses stritten, schuf Gereon Boos mit einem lukrativen Angebot an die Erbin Fakten. Das Virus hatte eindeutig über den Intellekt gesiegt. Der Erreger sollte weiter im Körper des bedauernswerten Facharztes wüten. Kaum hatte Boos den „Hafenbasar“ käuflich erworben, wurde ihm auch schon die Bleibe in der Erichstraße gekündigt. Der damalige Bezirksamtsleiter von Hamburg Mitte, Markus Schreiber, tat alles, um Harry’s Hinterlassenschaft in die HafenCity zu locken. Dazu dienten auch Angebote der Stiftung Hamburg Maritim zur Übernahme historischer Schiffe. Boos verliebte sich schließlich in den Kran-Ponton GREIF, erwarb ihn, sanierte das letzte in der Hansestadt verbliebene, schwimmfähige Kampnagel-Denkmal auf eigene Kosten und baute es zusammen mit Fachleuten der Harburger Jöhnk Werft zum Museumsschiff um. Rechtzeitig vor Weihnachten steuerte der GREIF den Sandtorhafen im jüngsten Hamburger Stadtteil an und darf ab sofort von Einheimischen und Touristen geentert werden. „Harry’s Hamburger Hafenbasar“ ist Privatmuseum und Basar zugleich, und das bedeutet: „Fast alles hier an Bord ist käuflich“, erklärt Mozart-Fan Boos mit verschmitztem Lächeln, „außer natürlich den inzwischen unter Artenschutz stehenden Objekten und Harrys Lieblingsstücken.“

Öffnungszeiten bei fünf Euro Eintritt (Erwachsene): täglich außer montags von 11 bis 17 Uhr. Auch eine Gastro-Konzession hat der vielseitige Doktor inzwischen beantragt und – ach ja: die Toiletten auf dem Anleger soll Boos auf Wunsch der HafenCity GmbH auch noch übernehmen.

Text: Michael Hertel, Fotos: Jonas Wölk
Quartier 24, Dezember 2013–Februar 2014 , Rubrik:    
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