« Zurück zur Übersicht

Die Klimawandler

Greenpeace ist aus dem Elbspeicher in Altona an den Magdeburger Hafen gezogen. Mit dem Umzug will das Unternehmen auch seinen Kontakt zu umweltinteressierten Bürgern verbessern
Greenpeace

Die hochmoderne Windkraftanlage auf dem Dach der neuen Deutschlandzentrale demonstriert sichtbar den ökologischen Anspruch von Greenpeace. (1, 2)

Wer sich dieser Tage dem Magdeburger Hafen in der HafenCity nähert, kann sie kaum übersehen: große, skurril gebogene Metallteile auf dem Dach eines Neubaus an der Hongkongstraße. Handelt es sich hier um eine bewegliche Kunstinstallation oder etwa bislang unbekannte Transformer im Umwandlungsprozess? Nein: Das vermeintliche Riesenmobile steht sehr plakativ für ein neues Kapitel von Greenpeace.

Die weltweit aktive Umweltorganisation ist mit ihrer Deutschlandzentrale umgezogen, von der Großen Elbstraße in Altona in die HafenCity. Greenpeace setzt am Magdeburger Hafen nicht nur ein bemerkenswertes Energiekonzept um, sondern stellt sich in Sachen Öffentlichkeitsarbeit völlig neu auf. Highlight des neuen Hauptquartiers ist – neben den drei futuristischen Windkraftanlagen auf dem Dach – eine spannende Ausstellung, die Umweltinteressierte, Touristen und Schulklassen gleichermaßen ansprechen soll – das Ganze bei freiem Eintritt.

Zwischen Magdeburger Hafen, Brooktorhafen und Lohsepark, wo jetzt mit dem „Elbtorquartier” ein weiteres neues Viertel in der noch jungen HafenCity entsteht, lag noch vor kurzem eine große Brache. Lediglich zwei Gebäude an der Querseite des Magdeburger Hafens bildeten sozusagen den Altbestand: der historische Kaispeicher B aus dem Jahre 1879, in dem seit 2008 das Internationale Maritime Museum Hamburg untergebracht ist, und das knapp einhundert Jahre jüngere ehemalige Lagerhaus direkt nebenan, inzwischen umgebaut zur Zentrale des Handelshauses der Gebrüder Heinemann. Was darum herum aus dem Boden wächst, wird von den Verantwortlichen der HafenCity  Hamburg GmbH gern auch als „Wissensquartier” bezeichnet, denn dort werden sich wissensvermittelnde und kreative Einrichtungen geradezu ballen. Dem bereits erwähnten Maritimen Museum sozusagen am Eingang des Wissensquartiers steht die demnächst fertig gestellte HafenCity Universität mit rund 2.000 Studierenden gegenüber. Weitere spannende Institutionen im wachsenden Quartier sind beispielsweise „designexport” und das „iF Forum” aus dem Bereich der Kreativwirtschaft, das Ökumenische Forum und das Musikerhaus.

„Vor allem aber haben wir festgestellt, dass die Bürger mit uns sprechen möchten, und zwar nicht nur am Telefon. Darauf waren wir in Altona allein schon vom Gebäude her nicht eingerichtet.“

Im Zentrum des neuen „Wissensquartiers” steht allerdings – nicht nur geografisch – die weithin sichtbare neue Deutschlandzentrale von Greenpeace als Teil des Gebäudekomplexes der Elbarkaden. Die Umweltorganisation hat den erst vor wenigen Wochen erfolgten Umzug von rund 220 Mitarbeitern genutzt, um seine Aktivitäten und Sparten unter einem Dach zu konzentrieren. Presseprecherin Mirja Schneemann: „Neben dem Verein Greenpeace e. V. und der Greenpeace Umweltstiftung sind der Ökostromanbieter ‚Greenpeace Energy‘ sowie erstmals auch die Hamburger Ehrenamtlichen von Greenpeace auf vier Stockwerken in unserem Neubau an der Hongkongstraße 10 untergebracht.” Den Umzug forciert hatten neben einer stark gestiegenen Miete an der Großen Elbstraße weitere ganz praktische Erwägungen. „Einerseits ist die Organisation in den letzten 15 Jahren erheblich gewachsen. Vor allem aber haben wir festgestellt, dass die Bürger mit uns sprechen möchten, und zwar nicht nur am Telefon. Darauf waren wir in Altona allein schon vom Gebäude her nicht eingerichtet”, berichtet Angela Pieske, Projektleiterin für Ausstellung und Kommunikation.

Ebenfalls für jedermann sichtbar, allerdings im Atrium des Gebäudes, ist die Ausstellung zu Umweltthemen und Greenpeace-Aktionen, die zusammen mit dem Gebäude feierlich eröffnet wurde

Dass Umweltinteressierte, auswärtige Mitglieder und ehrenamtliche Helfer ihre Vorbilder bei Greenpeace auch mal besuchen und persönlich sprechen möchten, kam in der bisherigen Eigendarstellung nicht vor. Das werde sich im Neubau mit einer umfangreichen Ausstellung im 360 Quadratmeter großen Atrium gründlich ändern, versichert Pieske. Im Mittelpunkt stehen dabei wichtige Umweltthemen sowie zurückliegende und aktuelle Aktionen von Greenpeace. So ist schon allein der Empfangstresen für die Besucher ein Hingucker, besteht er doch zum größten Teil aus der Kommandobrücke des legendären Greenpeace-Aktionsschiffes „Beluga”. Die Besucher bewegen sich im ebenso hohen wie lichten Atrium, das sich durch mehrere Gebäudeetagen zieht, auf einer rund 100 Quadratmeter großen, aus Naturkautschuk gefertigten Weltkarte. An den umweltpolitischen Brennpunkten dieser Welt können mit Hilfe von Tablets und QR-Codes Informationen abgerufen werden, und an einer Bannerwand geben Greenpeace-Plakate den Besuchern weitere thematische Stichworte. „Themeninseln” wie Wald, Meere, Gentechnik/Landwirtschaft/Chemie oder Energie/Atom/Klima schaffen zusätzliche Orientierung und geben den Besuchern auch verbraucherorientierte Tipps. Handfeste Exponate, etwa ein typisches Schlauchboot aus einer Greenpeace-Aktion, sollen eine Kopflastigkeit der Schau verhindern. Glanzlicht und Stolz der Greenpeace-Aktivisten bildet ein sechs Meter hoher und 1.500 Kilogramm schwerer Totempfahl, eine Schenkung der kanadischen Nuxalk-Indianer als Dank an Greenpeace für die Rettung ihrer Heimatregion vor der Zerstörung. Das Totem war während einer Deutschland-Tour der Indianer aus einem 600 Jahre alten Rotzeder-Stamm geschnitzt worden. Es erzählt die Geschichte der Nuxalks und zeigt schützenswerte Tiere wie Grizzly-Bär, Adler, Lachs, Rabe, Orca-Wal und Bieber. Der Totempfahl war sozusagen der erste Greenpeace-Aktivist im Haus, schwebte bereits vor einem Jahr per Kran ein, bevor das Dach des Neubaus an der Hongkongstraße geschlossen wurde.

Der Zugang zum Atrium erfolgt über eine architektonische Besonderheit des Projektes Elbarkaden, die „Stadtloggia”. Dieser lichte, geschlossene und flutsichere Vorbau – zehn Meter breit und neun Meter hoch – mit weitem Ausblick Richtung Westen, zieht sich über die gesamten rund 180 Meter des Gebäudekomplexes. Besucher der HafenCity dürfen gespannt sein, was sich in diesem attraktiven Raum entwickelt, denn hier handelt es sich zwar um einen zu den Elbarkaden gehörenden privaten Raum, jedoch mit festgeschriebenem öffentlichen Wegerecht. Kai Krüger vom Bauherren DS-Bauconcept: „Wir können uns vorstellen, dass die Mieter diesen zusätzlichen Raum auch für unterschiedliche Aktivitäten nutzen.” Parallel zur Stadtloggia verläuft direkt am Kai des Magdeburger Hafens eine bislang rund 325 Meter lange, zehn Meter breite Promenade in Richtung HafenCity Uni. Sie soll eines Tages bis zu den Elbbrücken weitergeführt werden.

Greenpeace

Suche nach Fördermitgliedern: Greenpeace ist in den vergangenen Jahren bedeutend gewachsen, auch dank professioneller Kommunikation (5)

In Sachen Energiekonzept für den neuen Hauptsitz war Greenpeace als weltweit erfolgreiche Umweltorganisation ihrem Namen natürlich einiges schuldig. Mirja Schneemann: „Unsere Vorstellungen konnten wir bereits in der Planungsphase einbringen.” Energieeffizienz stand dabei im Mittelpunkt, was sicherlich auch zu der recht prosaischen äußeren Form beigetragen hat. Projektleiter Kai Krüger: „Wir wollten eine vergleichsweise kleine Fassadenfläche bei möglichst großer Nutzfläche erreichen, denn: Je größer die Außenfläche, desto mehr Energie geht verloren.” Genau so wichtig: Die vom und im Gebäude benötigte Energie sollte „regenerativ” gewonnen werden. Diese Überlegungen führten zu einem Modell mit einem großen Anteil vor Ort produzierter Energie. Die Energie für Heizung und Klima wird durch Geothermie – also Erdwärme – mittels Wärmepumpen gewonnen. Dazu wurden die bis in eine Tiefe von 20 Metern getriebenen Pfahlgründungen „energetisch aktiviert” und zusätzlich Erdsonden bis auf 90 Meter eingebracht. Den für die Wärmepumpen benötigten elektrischen Strom liefern eine 420 Quadratmeter große Solaranlage sowie die drei „Transformer” auf dem Dach, bei denen es sich um leistungsfähige Windkraftanlagen neuester Technologie handelt. Krüger: „Die Genehmigungen waren an hohe Hürden geknüpft, vor allem in Sachen Schallemissionen.” Die drei Windräder drehen sich vertikal auf einer Achse, sind leiser als die Umgebungsgeräusche, werfen mit ihren schmalen Rotoren kaum Schatten und erreichen eine Spitzenleistung von jeweils 12,5 Kilowatt. „Nach meiner Kenntnis sind es die ersten Windräder dieser Größe, die in der Hamburger Innenstadt genehmigt wurden”, erklärt Krüger stolz. Darüber hinaus versorgen sich die Mieter der Greenpeace-Gruppe mit Ökostrom von „Greenpeace Energy”. Das gesamte Bauprojekt mit seinen vier real geteilten Gebäuden inklusive des ausgeklügelten Energiekonzeptes, das die zu Baubeginn geltenden gesetzlichen Vorschriften für „energieeffiziente Gebäude” um rund 50 Prozent übertrifft, erforderte laut Krüger Investitionen von mehr als 100 Millionen Euro.

Bereits seit der feierlichen Eröffnung am 31. Oktober ist die Greenpeace-Ausstellung während der Öffnungszeiten (Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr) zu besichtigen. Und spätestens vom kommenden Frühjahr an werden die Hamburger in Scharen das neues „Elbtorquartier” entdecken wollen.

Text: Michael Hertel, Fotos: Thomas Hampel (1, 3, 4), Götz Wrage/Greenpeace (2), Greenpeace/Ex-Press/Wuertenberg (5) 

 

Quartier 24, Dezember 2013–Februar 2014 , Rubrik:    
« Zurück zur Übersicht