« Zurück zur Übersicht

Central Park

Die Arbeiten am Lohsepark haben begonnen. Als größte Grünanlage des Viertels liegt er nicht nur im Zentrum eines neuen Quartiers, sondern auch im Zentrum von Überlegungen zur gesamten HafenCity
Lohsepark

Der Lohsepark wie er sich ab 2015 vom Baakenhafen aus präsentieren könnte (1)

Hannoverschen Bahnhof

Das Areal heute: Bei Erdarbeiten werden Relikte des Hannoverschen Bahnhofs freigelegt (2)

Er ist die „grüne Lunge“. Die „grüne Seele“. Der „Central Park“ der HafenCity. Er soll, so die Auslober des freiraumplanerischen Wettbewerbs 2009, „eine ganz besondere Atmosphäre entfalten“, „sich von der Qualität gewöhnlicher Parkanlagen deutlich unterscheiden und sich in seiner gesamten Anmutung als zukunftsweisende Parkanlage einer Metropole des 21. Jahrhunderts erweisen“. Der Lohsepark. Die HafenCity Hamburg GmbH versteht ihn als „Volkspark“, dessen Entwicklung für die HafenCity „einen Meilenstein“ darstellt: als innenstädtisches Erholungsgebiet, als überörtliche Freiraumverbindung, wohnungsnahe Parkanlage und Gedenkort mit Dokumentationszentrum. Er soll Platz für Spielplätze bieten, für ein Spiel- und Gemeinschaftshaus, ein Café und an seinen Rändern für mehrere 100 Wohnungen, Schulen, Kindertagesstätten, Geschäfte.

Das Gefühl der Ereignislosigkeit

Die Volksparks wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa in Berlin, Köln oder Hamburg entstanden, hatten vor allem gesellschaftliche Missstände aufgegriffen und Parks geschaffen, in denen breite Schichten der Bevölkerung frei zugängliche Wiesen, Schwimmbäder, Sportplätze, Cafés, zuweilen sogar Bildungseinrichtungen nutzen konnten. Im Grundsatz wird diesem Gedanken auch im Lohsepark gefolgt,  auch wenn ein „Volkspark“ zumindest in seinen Dimensionen andere Assoziationen auslöst. Wer die Broschüren zum Lohsepark liest, denkt an großzügige Parkanlagen, in denen zahlreiche Nutzungen nebeneinander unterkommen. Von einem Park spricht man üblicherweise bei 2,5 bis 25 Hektar, von einem Wohngebietspark bei etwa 10 Hektar. Der Lohsepark ist mit 4 Hektar etwas größer als der Jungfernstieg und erstreckt sich als 80 Meter breiter Grünstreifen vom Ericusgraben zum Baakenhafen. Wichtiger als seine Größe ist aber das Angebot, das er seinen Besuchern macht: Dabei ist „Nutzungsoffenheit“, darauf wies die Landschaftsarchitektin Constanze Petrow in einem Vortrag in der HafenCity hin, „ein ganz wesentliches Merkmal von Parks“. Entscheidend sei ein „Grundgefühl der Ereignislosigkeit“. Das schließe Vielfalt und Abwechslung nicht aus, „aber gerade die anspruchslose ästhetische Wahrnehmung ist es, die den Reiz und Genuss des Freiraumbesuchs ausmacht“.

Lohsepark Wohnblock

Visualisierung des im Bau befindlichen Wohnblocks von Böge Lindner K2 Architekten an der Westseite des Lohseparks (3)

Wohnbrücken, chinesische Gärten und Seilbahnen

Während der frühen Diskussionen um den Park wurde daher die Frage gestellt, ob ein Quartierspark wie der Lohsepark die Funktionen eines zentralen Parks für die HafenCity erfüllen könnte, vor allem mit den geplanten Features: Spielplätze für Kinder, ein Sportplatz, ein Gedenkort für deportierte Juden, Sinti und Roma, im Süden eine U-Bahnstation mit Fahrradstellplätzen. 2007 lancierte Hadi Teherani auch noch seine Idee einer „Living Bridge“, gefolgt von dem erhofften öffentlichen Echo. Bei einer Verwirklichung dieses Vorhabens wäre der gesamte Südteil des Lohseparks entfallen, die Straßen an seinen Seiten hätten verbreitert werden müssen, da sie bei Wohnungen auf der Brücke und Autoverkehr zum südlichen Elbufer zu klein wären. Auch ein Chinesischer Garten war ins Gespräch gebracht worden, den etwa die Handelskammer für durchaus realisierbar hielt. Dabei ging es natürlich nicht darum, ob sich ein solcher Exotismus irgendwie für den Park eignete, sondern lediglich um einen Showeffekt, der den öffentlichen Raum in den Dienst des Städtemarketings stellte. Dieses Interesse, den Lohsepark zu einer Art Themenpark zu machen, der sich für kommerzielle Interessen instrumentalisieren lässt, ist bis heute nicht vom Tisch. Zum Beispiel sehen die Pläne für eine Seilbahn über die Elbe – die von den weltweit führenden Seilbahnunternehmen Doppelmayr Garaventa und Leitner in Kooperation mit Stage Entertainment betrieben werden, um die Anbindung an die Musicaltheater im Hafen spektakulär zu inszenieren – den Lohsepark als denkbare Startposition: mit einer Gondelstation, einem 95 Meter hohen Mast und erhofften 1,5 Millionen Fahrgästen pro Jahr.

Ausgerechnet in der HafenCity?

Der Park kann nicht alle Ansprüche aufgreifen. Im Verlauf der Planungen wurden daher mehrere Punkte gestrichen, etwa der Chinesische Garten oder der Sportplatz, der ins Oberhafenquartier wandert. Aber auch die verbliebenen Nutzungen sind vielfältig, Spielplätze, Gastronomie, ab 2015/16 wird ein Schulzentrum mit Gymnasium gebaut, hinzu kommen Kitas, Läden und Wohnungen. Auch Sozialwohnungen. Diese Nachricht wurde 2011 auf dem vorläufigen Höhepunkt der Diskussion um Wohnungsnot, Mietwucher und die Wohnungsbauoffensive des Senats wie eine kleine Sensation gefeiert. Wer früher danach fragte, warum in der HafenCity kein sozialer Wohnungsbau betrieben würde, bekam zu hören, es ergebe keinen Sinn, ausgerechnet hier Wohnungen zu subventionieren. Das Geld, um Neubauwohnungen im Stadtzentrum auf eine Miete von 5,90 Euro zu drücken, könnte anderswo sinnvoller eingesetzt werden. Außerdem ging (und geht) man davon aus, dass die verschiedenen Bauträgerkonzepte – Genossenschaften, Baugemeinschaften, Miet- und Eigentumswohnungen – eine gute soziale Durchmischung gewährleisten. Der öffentliche und politische Druck hat zumindest das erste Argument in den Hintergrund gedrängt. Die ersten beiden Baublöcke am Lohsepark sehen jeweils etwa 35 subventionierte Wohnungen vor, ein Drittel davon im ersten Förderweg, zwei Drittel im zweiten Förderweg, also Mieten von 5,90 bis 8 Euro pro Quadratmeter. Inzwischen ist diese geringe Anzahl, die manche eher als Feigenblättchen und weniger als neuen Trend verstanden, durch die Planungen am Baakenhafen weit in den Schatten gestellt: Dort werden Sozialwohnungen in ganz anderen Größenordnungen errichtet.

Neben geförderten Wohnungen entsteht rund um den Park ein Mix aus Eigentums- und Mietwohnungen mit verschiedenen Bauträgern, darunter die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille, die bereits am Kaiserkai gebaut hat. Der von ihr entwickelte Gebäudekomplex wird auch zwei Kitas, ein Ärztezentrum, Gewerbeflächen und eine Begegnungsstätte enthalten. Auf dem Nachbargrundstück tritt ein Konsortium verschiedener Wohnungsbau- und Stadtentwicklungsgesellschaften als Bauherr auf. Zu diesem Projekt zählen eine weitere Kita und Wohnungen einer Baugemeinschaft, die ein innovatives Verkehrskonzept umsetzen will, mit Carsharing-Angeboten, vergünstigten HVV-Anwohnertickets, Elektro-Ladestationen in der Tiefgarage und einem Elektro-Fahrrad-Pool. Das letzte Grundstück auf der Westseite des Parks, gegenüber der HafenCity Universität, ist inzwischen dem Immobilienentwickler Harmonia anhand gegeben worden, der dort Wohnungen und ein Hotel plant.

Info-Pavillon

Ausstellungsdetail am Info-Pavillon zum Hannoverschen Bahnhof am Lohseplatz (4)

Ein zweieinhalb Meter tiefer Riss

Als die Ergebnisse der ersten Architektenwettbewerbe zum Lohsepark 2011 präsentiert wurden, ging man noch davon aus, die Güterhalle der Spedition Georg Dietrich werde bis 2017 die weitere Entwicklung der Parkfläche blockieren. Durch deren vorzeitigen Abriss geht die HafenCity Hamburg GmbH aber nun davon aus, dass der Park bis Ende 2015 fertiggestellt ist. Das ist auch für die Gedenkstätte relevant, deren Umsetzung zwar intensiv diskutiert, aber auf die Zeit nach 2o17 verschoben wurde. Gerade sie ist eine besondere Herausforderung.

Die meisten Gedenkstätten liegen außerhalb der Städte, zumindest nicht in deren Zentrum und nur sehr selten in Parks, die vorrangig der Erholung dienen. Insofern gibt es nur wenige Vorbilder. Aber während eines Kolloquiums zum Thema führte die Landschaftsarchitektin Constanze Petrow 2007 mehrere Beispiele an, bei denen Erinnerungsorte in den städtischen Alltag integriert wurden: So „Der verlassene Raum“ auf dem Koppenplatz in Berlin, ein Denkmal, das gleichzeitig mit der Umgestaltung des Platzes realisiert wurde, sodass sich nun direkt daneben ein Rasen, ein Spielplatz und Sitze befinden, die ausgiebig genutzt werden. Ein weiteres Beispiel ist das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, ebenfalls in Berlin. Der Grund für den Besuch, so Petrow, sei für viele hauptsächlich die Arbeit des Star-Architekten Peter Eisenman. Aber die Qualität von dessen Arbeit zeige sich eben daran, dass sich Besucher, sobald sie einmal dort sind, eben doch mit dem Thema auseinandersetzten, und das mitten im Stadtzentrum.

Die Topografie stellt eine weitere Herausforderung dar. Weil das Gelände auf hochwassersicheres Niveau von über 8 Metern üNN gebracht werden muss, die Relikte des Bahnhofs aber aus Gründen der Authentizität auf dem historischen Niveau von 5,40 Metern üNN verbleiben sollen, ergibt sich eine Art Fuge, ein zweieinhalb Meter tiefer Riss quer durch den Park. Der Park wird insgesamt in verschiedene Höhen gestaffelt, die von der historischen Ebene über die Parkebene (6,50 Meter üNN) hinauf zum Stadtniveau führen. Als Verbindung zwischen diesen Ebenen dienen Böschungen und Terrassen, von denen sich eine quer in den Park hineinschiebt und einen Teil des Hannoverschen Bahnhofs nachzeichnet, von dem lediglich die westlichen Gewölbe erhalten.

Gedenkort, Volkspark, Wohnort. Gerade diese scheinbare Unvereinbarkeit wird am Ende vielleicht die Qualität des Lohseparks ausmachen. Denn sie kann sicherstellen, dass die gewünschte Vielschichtigkeit nicht in trivialer Themenvielfalt gesucht wird.

Text: Nikolai Antoniadis, Visualisierung/Fotos: Vogt Landschaftsarchitekten AG (1),  Thomas Hampel (2, 4), Böge Lindner K2 Architekten (3)

 

Quartier 25, März–Mai 2014 , Rubrik:    
« Zurück zur Übersicht