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Endstation

Die Freihafenelbbrücke ist vorläufig die letzte Haltestelle der U4. Aber wenn sie eröffnet wird, ist die Brücke vielleicht nicht mehr da
Freihafenelbbrücken

Die Norderelbbrücken 1934: Bei derjenigen links im Bild handelt es sich tatsächlich nicht um eine, sondern um zwei Brücken, die unmittelbar nebeneinander stehen. Die hintere davon ist die Freihafenelbbrücke (1)

Seit April wird an der neuen U4-Trasse gearbeitet. Genau ein Jahr vorher hatten die Architekten von Gerkan, Marg und Partner den Entwurf für den oberirdischen U-Bahnhof Elbbrücken vorgestellt: eine gläserne Röhre, deren „signifikante Stahlkonstruktion aus gebogenen Rahmenträgern“ ein „Pendant zu den Brücken“ über die Norderelbe bilden soll. Ob es ein Endbahnhof bleibt oder ob die U-Bahn über den Fluss nach Süden verlängert wird, ist seit Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen. Sicher ist: Eine solche Trasse würde nicht über die Freihafenelbbrücke führen, an dessen Westseite der U-Bahnhof gebaut wird. Sie hat zwar eine zweite Ebene für eine Bahn, aber die Tragreserven der 1926 fertiggestellten Brücke sind, zumindest glaubt das die Hamburg Port Authority, fast aufgebraucht. Tatsächlich sind die Schienen im zweiten „Stockwerk“ nie für eine Bahn genutzt worden.

Die Brücke war ursprünglich geplant worden, um den neuen Bedingungen des Freihafens gerecht zu werden. Jedes Jahr setzten bis zu 100.000 Fuhrwerke und 5.000 Eisenbahnwagen über die Elbe, um von einer Seite des Freihafens auf die andere zu gelangen. Fuhrwerke mussten jedes Mal von Zollbeamten über die 1887 errichtete „Neue Elbbrücke“ ans andere Ufer begleitet werden, um dort wieder in den Freihafen überführt zu werden. Für die Bahnwaggons galt im Wesentlichen dieselbe Prozedur, wobei sie über die im Zollinland liegende Eisenbahnbrücke fuhren, um dahinter wieder ins Zollausland zu wechseln. Eine Brücke innerhalb des Freihafens war deshalb zwingend geboten. Ihr Bau wurde noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs beschlossen und begonnen; bis Mitte 1916 standen die Widerlager (also jene Brückenteile, die die beiden Enden des Überbaus tragen), die Strompfeiler und die Eisenkonstruktion. Ein knappes Jahr später wurden die Arbeiten aber wegen des Krieges eingestellt und erst 1924 wieder aufgenommen. Zwei Jahre später konnte die Brücke schließlich eröffnet werden und machte endlich die Verbindung zwischen den Freihafenteilen an beiden Elbufern möglich.

Freihafenelbbrücke

Bauzeitlichen Konstruktionszeichnung der Freihafenelbbrücke (2)

Stadteinwärts besaß sie zwei Fahrstreifen, stadtauswärts nur einen, weil der zweite für ein Gleis der Hafenbahn verwendet wurde. Dieses Gleis wurde 2012 als letztes Hafenbahngleis nördlich der Elbe eingestellt, nachdem es zuletzt nur noch das Baustoffterminal von OAM am Kirchenpauerkai versorgt hatte. Ursprünglich war geplant, auf einer zweiten Ebene über dem Straßenniveau vier Hochbahngleise verlaufen zu lassen. Der Brückenkörper wurde deshalb zweistöckig mit mächtigen Stahlrahmen angelegt, bis heute eine Besonderheit im Stadtbild. Weitere zweistöckige Brücken lagen auf dem weiteren Weg zur Endstation auf Steinwerder: eine der beiden Niedernfelder Eisenbahnbrücken am Veddeler Wasserkreuz, die seit 2011 durch Neubauten ersetzt wurden, und die Drehbrücke am Reiherstieg, inzwischen ebenfalls abgebaut. Zwei der vier Gleise sollten für eine Linie nach Süden vorgehalten werden, um „der voraussichtlichen Entwicklung Groß-Hamburgs Rechnung [zu] tragen“. Diese Linie taucht auch in Hochbahn-Plänen der 1950er Jahre noch auf, wurde aber nie realisiert – auch wenn eine Anbindung des Hamburger Südens bis heute als Argument für einen Streckenausbau dient, zuletzt beim Bau der U4, die ja ursprünglich nicht in der HafenCity enden sollte, sondern in Wilhelmsburg.

Freihafen-Elbbruecken2

Das südliche Ende der Freihafenelbbrücke: Gut erkennbar die zweite „Etage“, die aber für die Hochbahn – wie auf der bauzeitlichen Konstruktionszeichnung eingetragen – nie zum Einsatz kam. (3)

U4-Elbbrücken

Die geplante U4-Haltestelle Elbbrücken (4)

Der Bau der neuen U-Bahnhaltestelle macht den Abriss des historischen Treppenbauwerks an der Freihafenelbbrücke nötig. Ein Gutachten hielt aber „aufgrund der groben Blockstruktur des Bauwerks eine verlustfreie Wiederherstellung [für] möglich“. Das Denkmalschutzamt wollte zudem eine ausführliche Dokumentation des aktuellen Zustands in die Baugenehmigung übernehmen. Aber der Antrag auf Abbruch der Treppenanlage war bereits im Mai 2012 gestellt worden – ein Jahr bevor die Brücke nach der Aufhebung des Freihafens als Denkmal eingetragen wurde.

Nach Einschätzung der HPA ist die Freihafenelbbrücke nach fast 90 Jahren aber stark erneuerungsbedürftig, weshalb in absehbarer Zeit ohnehin mit einem vollständigen Abbruch zu rechnen sei. Sollte die U4 also doch noch oberirdisch über die Norderelbe nach Wilhelmsburg verlängert werden, würde eine neue Elbbrücke nötig werden.

Text: Nikolai Antoniadis; Foto: Hamburger Hafen und Logistik AG (1), ELBE&FLUT Edition Archiv (2), Jonas Wölk (3);
Visualisierung: Gärtner+Christ (4)
Quartier 27, September–November 2014 , Rubrik:    
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