« Zurück zur Übersicht

Hart am Wind

Die erstaunliche Karriere des Hamburger Segelmachers Till Hagelstein
Till Hagelstein

Till Hagelstein: Als er sich der traditionsreichen Segelmacherei zuwandte, dachte er sich: „Wenn, dann richtig“

Till Hagelstein verfügt über ein gesundes Selbstbewusstsein: „Wir wollen der Aldi der Segelmacher werden – und der größte in Deutschland.“ Wenn er in seinem Büro am Brook 5 durch die Luke des 3. Bodens nach Steuerbord schaut, sieht er Großes entstehen – die Elbphilharmonie, eine Landmarke für einen, der an der Elbe aufwuchs und, vom Vater angeleitet, von Kindesbeinen an Segelboote aller Art entern durfte. Gelegentlich spielte er Fußball, aber der Vater wollte ihn nie zum Sportplatz kutschieren, immer nur zum Yachthafen. So blieb ihm die Segler-Karriere: vom Opti, über 420er, 470er, Laser bis aufs Dickschiff. Bald räumte er manchen Pokal ab, bei Weltmeisterschaften, Kieler Woche oder dem berühmten Fastnet Race vor England. Das Wettbewerbsfieber hielt ihn fest, bis heute, wenn er mit seiner „PrimeSails Fair Do’s“, einer von Beneteau gebauten Mumm 36, unterwegs ist.

PrimeSails

Eckpfeiler des Erfolgs: offensives Marketing, attraktive Preise und vor allem hohe Qualität

Wettbewerbsfieber, Ehrgeiz, Risikobereitschaft und Neugier waren die Eigenschaften, die das Berufsleben des Groß- und Außenhandelskaufmanns bestimmten. So 1995 als Gründer der Firma Hagelstein, die Spezialprodukte für Handwerker wie Werkzeugtaschen und Knieschützer vertreibt. Um zu einem der führenden deutschen Segelmacher zu werden, bedurfte es aber noch eines besonderen Anstoßes. Es begann mit einer Leidensgeschichte: Sein Vater infizierte sich mit Borreliose und musste zeitgleich aus Altersgründen auch seinen Beruf als Zahnarzt aufgeben. „Er hatte in dieser Zeit seinen Lebensmut verloren“, berichtet Hagelstein. Es musste etwas geschehen! Ein gutes Schiff musste her. Das fanden Vater und Sohn auf einer abenteuerlichen Reise, vier Tage im Twingo durch Irland. Die dort entdeckte Mumm 36 war zunächst nur „eine abgerockte Lady“. Die Überfahrt nach Deutschland, der Transport eines Ersatzriggs und die Sanierung mussten organisiert werden, aber Hagelsteins Kalkül ging auf, denn an diesen Aufgaben richtete sich der Vater wieder auf. Schließlich stand das Schiff wie frisch von der Werft in Wedel – es fehlten nur noch die Segel.

PrimeSails

Seine Segel sind eine Kombination aus Hightech und jahrzehntelanger Erfahrung im Segelsport

Die Branchengröße Thomas Jungblut von North Sails gab sich aber laut Hagelstein bei der Frage nach Rabatt ziemlich zugeknöpft: „Mach Dir Deine Segel doch selbst!“ Die Idee fand er dann gar nicht so abwegig. Er war Kaufmann, verfügte über ein gut gehendes Unternehmen, das zur „Quersubvention“ dienen konnte, und vor allem: Er kannte die Seglergilde, und sie kannte ihn. Das Neue an seiner Idee war die Orientierung zum Internet; Kundenkontakt und Bestellprozess erfolgen vorzugsweise elektronisch.

Seine Philosophie: „Ich bin Segel-Designer und kein Handwerker. Ich verdiene mein Geld nicht an der Nähmaschine.“ Seine Segel sind eine Kombination aus Hightech und jahrzehntelanger Erfahrung im Segelsport. „Der deutsche Markt umfasst rund 5.000 Segel im Jahr. Wir haben letztes Jahr 300 produziert, dieses Jahr werden es bis zu 800 sein. Das nächste Ziel heißt 1.000.“ Und er bereitet einen weiteren Coup vor: Er will auf einen alten HADAG-Anleger umziehen, für den er bereits eine Kaufoption erworben hat. Er soll an der Kehrwiederspitze festmachen, gegenüber dem City-Sporthafen, und mit Werkstatt, Büros, einer Meisterwohnung und Show-Mast ausgestattet werden. Und dann gibt es da noch einen Traum: „Ich möchte mit PrimeSails in jeder europäischen Hauptstadt mit Hafen eine Dependance eröffnen!“ Wie prophezeite einst ein befreundeter Segelmacher aus Kiel, als er von dieser spleenigen Idee hörte: „Jetzt fängst Du auch noch damit an. Du machst uns doch alle platt.“

Text: Michael Hertel; Fotos: Jonas Wölk
Quartier 27, September–November 2014 , Rubrik:    
« Zurück zur Übersicht