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Unterkunft im Oberhafen

Mit neuen Mietern wie dem Gängeviertel e. V. hat das Oberhafenquartier einen weiteren Schritt in Richtung „Kreativquartier“ getan
Oberhafen

Mitglieder vom Gängeviertel e. V. haben die alte Bahnmeisterei am Ende von Halle 2 übernommen (1)

Das Gängeviertel kommt an den Oberhafen. Weil die Häuser in der Innenstadt saniert werden, zieht ein Großteil der Kreativen für die kommenden anderthalb Jahre von dort in die alte Bahnmeisterei. Als das im vergangenen Juli bekannt gegeben wurde, war das zwar erfreulich, aber auch überraschend. Zumindest ein bisschen. Die Initiative ist ja nicht gerade bekannt dafür, dass sie der HafenCity oder einer staatlich geförderten „Kreativwirtschaft“ besonders wohlwollend gegenübersteht.

Noch im Juni war das Gängeviertel zusammen mit Frappant, der Roten Flora, dem Centro Sociale in St. Pauli und weiteren Akteuren aus Stadtteilzentren, Nachbarschaftstreffs, Bauwagenplätzen und alternativen Wohnprojekten auf die Magellan-Terrassen gekommen, um dort den Auftakt für die Veranstaltungsreihe „Solidarische Raumnahme“ zu geben, die der Frage nachging: Was ist die Stadt für uns alle? Sie wandten sich gegen die Ausnutzung von Künstlern fürs Stadtmarketing und forderten lautstark „Kultur, keine kreative Klasse!“ und kulturelle Projekte jenseits immobilienwirtschaftlicher Vermarktungslogik.

Dem Gängeviertel e. V. ist die Anmietung in der HafenCity nicht leicht gefallen. Es gibt ein gewisses Unbehagen an einem Ort, der durch politischen Willen eigens für Kultur ausgewiesen wurde. Hier steht Kultur drauf, hier soll Kultur hin. Kann so Kunst gedeihen? Die Einrichtung eines Kunst- und Kulturzentrums in der Bahnmeisterei würde sie auch zu einem Teil dieser „Vermarktungslogik“ machen. Aber bei aller Skepsis sprach am Ende doch mehr dafür als dagegen. Ein Areal wie dieses, mit bezahlbaren Flächen, ist in Hamburg Mangelware, auch wenn es in vielerlei Hinsicht schwierig ist. Der schmale Geländestreifen zwischen Hafenbecken und Bahnviadukt ist nur durch die Bahnunterführung bei der Oberhafenkantine zu erreichen. Die Hallen sind sanierungsbedürftig, ihre technische Ausstattung geht gegen Null; ihre Erhaltung bedeutet zudem, dass das Gelände nicht zur Hochwassersicherung aufgehöht werden kann. Kurz: Um es überhaupt weiter nutzen zu können, müssen die Rahmenbedingungen erst mit hohem Aufwand neu geschaffen werden.

Skater

Für kurze Zeit war eine der Güterhallen ein beliebter Anlaufpunkt für Hamburgs Skatet (2)

Hanseatische Materialverwaltung

Die Hanseatische Materialverwaltung in Halle 3 (3)

Hanseatische Materialverwaltung

Die Hanseatische Materialverwaltung (4)

Die Mischung aus maroder Industrieromantik und bezahlbaren Flächen hat aber Interesse geweckt. Zum Beispiel hatte die Kreativbierbrauerei Kehrwieder vom amtierenden Weltmeister der Biersommeliers Oliver Wesseloh und seinem Partner „Fiete“ Matthies gehofft, hier endlich einen Standort für ihre Brauerei zu finden, allerdings vergeblich. Volker Lux, Inhaber des Subvert Store Skateshops, hatte eine Halle für Skater, BMXer, Rollerskater und Freestyle-Rollstuhlfahrer angemietet, aber nur für kurze Zeit, weil die Vermieter der Hamburg Kreativ Gesellschaft langfristig zu wenig Schnittmengen mit der Kreativwirtschaft sahen. Zu den ersten Glücklichen, deren Konzept langfristig angenommen wurde, zählt die Hanseatische Materialverwaltung, die seit November 2012 als Pionier in Halle 3 ansässig ist. Und gerade kürzlich wurden nach einem langen Auswahlverfahren weitere Flächen, fast 6.000 Quadratmeter, vermietet an Firmen aus den Bereichen Film, Fotografie, Musik, Bildende Kunst, Tanz, Design, Textilwirtschaft und kreatives Handwerk. Für Gastronomie, Veranstaltungen und Ausstellungen wurden außerdem besondere Flächen in Güterhalle 3 ausgeschrieben.

Für die Entwicklung des gesamten Geländes rechnet man mit 15 bis 20 Jahren. Wir stehen also erst am Anfang. Aber die jüngsten Entscheidungen, nicht nur die des Gängeviertels, zeigen, dass allein in den letzten Jahren einiges in Bewegung geraten ist.

Text: Nikolai Antoniadis; Fotos: Jonas Wölk (1, 3), www.martinundkuntz.de (2), Thomas Hampel (4)
Quartier 27, September–November 2014 , Rubrik:    
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