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Der Kaffee ist fertig

Am Sandtorkai war über viele Jahrzehnte die Adresse für Hamburger Kaffeeunternehmen. Geblieben ist allein die Cafea GmbH, die sich damit nicht nur zu ihrer Tradition bekennt, sondern von hier aus einen weltweit operierenden modernen Konzern leitet

Rothfos Cafea

Der 88-jährige Jan Beernd Rothfos, Cafea-Chef und Enkel des Firmengründers, in seinem Büro an der Traditionsadresse Am Sandtorkai in der Speicherstadt (1)

Bereits im Treppenhaus wird man von genauso zurückhaltendem wie selbstbewusstem hanseatischen Geist empfangen: Großformatige Schwarz-Weiß-Bilder zeigen Vorkriegsszenen des maritimen Herzens Hamburgs rund um den Sandtorkai mit Schuten, Dampfschiffen, Lokomotiven und Hafenarbeitern bei der Arbeit. Im getäfelten Konferenzzimmer empfängt den Besucher eine Hafenszene in Öl mit dem legendären Hamburg-Süd-Dampfer CAP ARCONA. Alles gediegen, aber beileibe nicht protzig. Dabei gäbe es Anlass genug für Unternehmen und Hausherren, hier etwas vorzuzeigen, denn die Adresse lautet Am Sandtorkai 2: Hier residiert – nein: hier lebt und arbeitet Jan Beernd Rothfos (88), eine Hamburger Kaffeelegende. Seine Cafea GmbH ist das letzte verbliebene Kaffeeunternehmen an historischer Traditionsadresse des deutschen Kaffeehandels.

Man sollte sich nicht täuschen. Die Cafea gehört zu den ganz großen
Playern auf dem Markt der löslichen Kaffees und Kaffeegetränke

Man sollte sich freilich nicht täuschen und hinter der altehrwürdigen Backsteinfassade Museales erwarten, denn die Cafea gehört zu den ganz großen Playern auf dem Markt der löslichen Kaffees und Kaffeegetränke, und ihr Kapitän, der dieses Flaggschiff der Kaffeebranche glücklicherweise zusammen mit seiner Tochter Anne Kathrin leitet, ist nicht nur von absoluter ökonomischer Präsenz, er kennt sich auch in der politischen Großwetterlage bestens aus und verfügt über dezidierte Ansichten bezüglich der Zukunftsausrichtung seiner Cafea GmbH.

St. Magnus Gartencafé

Der Kolonialwarenladen mit Gartencafé von Johann Dietrich Rothfos in St. Magnus bei Bremen (um 1896) (2)

Kurioserweise lag die Wiege des legendären Hamburger Kaffeeimperiums in Bremen. In St. Magnus, einem 200-Seelen-Dorf nahe der Weserstadt, führte Großvater Johann Dietrich Rothfos ab 1896 einen Kolonialwarenladen mit Gartencafé, verkaufte auch grüne Kaffeebohnen zum Selbströsten an die Kundschaft. Sein Sohn Bernhard tat in Bremen die ersten Schritte in die Branche, erkannte aber bald, dass Hamburg der bessere Marktplatz für das damals noch exotische Genussmittel war. Nach seinem Umzug an die Elbe startete er 1922 seinen Rohkaffeehandel, der bald internationale Bedeutung gewinnen sollte. Schnell hatte sich Rothfos in der Speicherstadt – Am Sandtorkai 4–5 – etabliert und avancierte zum größten Rohkaffeehändler Deutschlands. Im Zweiten Weltkrieg fiel dann nicht nur das Gebäude den Bomben zum Opfer. Der Handel kam schließlich zum Erliegen.

Familie Rothfos

Die Familie Rothfos in St. Magnus bei Bremen (um 1900). Links neben Johann Dietrich Rothfos sitzt sein Sohn Bernhard, der das Unternehmen in die Speicherstadt brachte (3)

Auch in den ersten Nachkriegsjahren war an den Import des wertvollen Rohstoffs Kaffee nicht zu denken. Rothfos und seine verbliebenen Mitarbeiter verlegten sich auf eine Art von Teeherstellung und ließen für ihr Produkt „Revitra“ unter anderem Haselnussblätter selbst von Schulkindern sammeln. Mit der Währungsreform spielte dann die braune Bohne wieder die erste Geige, und Bernhard Rothfos, nun unterstützt durch seine Söhne Cuno und Jan Beernd, gelang es, die alte Bedeutung seiner Handelstätigkeit wiederzugewinnen. Während sich Cuno auf den Röstkaffeesektor konzentrierte und 1948 die Firma Arko („Arbeitsgemeinschaft für den Vertrieb von Konsumgütern“) gründete, übernahm Jan Beernd im Jahre 1956 mit 29 die Geschäftsführung der von den deutschen Kaffeegrößen Walther Jacobs, Max Herz (Tchibo), Rolf Schopf (Eduscho) und Bernhard Rothfos neu gegründeten „Deutschen Extrakt Kaffee GmbH“ (DEK). Aufgabe der Neugründung war es, den Angriff der Lebensmittelgiganten Nestlé und General Food mit ihren löslichen Kaffees Nescafé und Maxwell auf den deutschen Markt abzuwehren.

Cafea

Bei der Deutschen Extrakt Kaffee (DEK) in Wilhelmsburg wird löslicher Kaffee in Gläser abgepackt (4)

Mit einem Startkapital von 500.000 Mark wurde in Wilhelmsburg ein hochmoderner Röstbetrieb aus dem Boden gestampft, noch heute der wichtigste DEK-Betrieb. Zwar findet dort nicht mehr die Kaffeeröstung statt, dafür aber werden in Wilhelmsburg jährlich rund 120 Millionen Gläser abgepackt. Außerdem sind dort die Zentralbereiche Finanzen, Logistik, Marketing und Vertrieb angesiedelt. Die DEK gewann in der Branche rasch an Bedeutung. Mit seinem ausgeprägten strategischen Denken errichtete Jan Beernd Rothfos sein Kaffeeimperium. Er erwarb alle DEK-Anteile, kaufte im In- und Ausland größtenteils von der Konkurrenz abgeschriebene oder ganz darnieder liegende Werke und schmiedete schließlich 1981 die heutige Holding Cafea GmbH, inzwischen der weltweit größte Produzent löslicher Kaffeegetränke im Bereich der Handelsmarken mit rund 1.700 Mitarbeitern. Zur Holding gehören sieben Produktionsbetriebe in ganz Europa, dazu eigene Vertriebsgesellschaften in Polen, Großbritannien und den USA.

„Damals haben unsere Stadtväter mit der Zollfreiheit Hamburg
zur führenden Rolle im Kaffeehandel verholfen“

„Es macht mir einfach Freude, aus wenig viel zu machen“, umschreibt Rothfos seine Philosophie. Das hat er immer wieder vorexerziert. So beispielsweise bei einem einst dem Kaffeeersatz-Imperium Franck & Kathreiner zugehörigen polnischen Staatsbetrieb nahe Krakau. Rothfos übernahm dort einen Betrieb, der eigentlich schon dem Tode geweiht war. Rund 15 Jahre später besuchte er das Werk Grana Skavina erneut. „Es war nicht mehr wiederzuerkennen. Aus einer grauen Fabrik war ein strahlendes Unternehmen geworden, in dem man vom Boden essen konnte. Und das zum großen Teil mit den gleichen Leuten, denn ich hatte niemanden entlassen. Und der einstige Produktionsleiter begrüßte mich nun als Direktor für Produktion. Man merkte den Beschäftigten richtig den Stolz auf ihren Betrieb an“, berichtet Rothfos glücklich. Ein ähnliches Händchen bewies er bei dem ehemals größten Babynahrungsproduzenten Europas von Nestlé in Kappeln, der heutigen Firma Cremilk, oder der belgischen Tochter Edel in Lüttich, die auf eine Gründung durch Renault-Manager zwecks Diversifizierung zurückging. Die Autoexperten merkten freilich bald, dass ihnen das Kaffee-Know-how völlig abging. So konnte Rothfos für kleines Geld zuschlagen: „Wir hatten gerade in Berlin investiert und daher für ein so großes Werk kein Geld. Aber die Kapazitäten konnten wir schon gut gebrauchen“, berichtet Rothfos. Nicht so glücklich verlief das Engagement in Rubio in Venezuela. Dort lag die Produktion in einem mit deutscher Technik ausgerüsteten staatlichen Betrieb 20 Jahre lang still und wurde Rothfos angeboten. Der schickte drei erfahrene Mitarbeiter nach Südamerika – zwei Rentner und einen knapp 60-Jährigen. „Im Ort liefen Wetten, ob wir den Laden wieder zum Laufen bringen könnten.“ Und tatsächlich, es klappte. „Rund 70 Arbeitsplätze geschaffen – der einheimische Direktor empfing mich glücklich. Damit gewannen wir den Respekt am Ort.“ Jahre später aber fand dort eine Art politische Besetzung statt. Das Venezuela des Hugo Chávez warf den deutschen Eigentümer als vermeintlichen „Imperialisten“ raus. „Erst beim Filzen der Geschäftsunterlagen merkten die Besetzer, dass wir niemandem auch nur einen Pfennig schuldig geblieben und nicht schlechthin das Böse waren“, erklärt der Grandseigneur des Kaffees. Später kündigte der Staatschef eine Entschädigung an. Rothfos: „Auf die warten wir heute noch.“

Das Venezuela-Abenteuer versetzte dem Hamburger Kaffeeimperium nur einen kleinen Kratzer. Die beiden anderen Rothfos-Kaffeereiche freilich existieren in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr. Cuno Rothfos gab seine Arko-Anteile 1997 ab. Und Vater Bernhard hatte mit 90 Jahren die Kommandobrücke kaum verlassen, als er mit ansehen musste, wie die Nachfolger in der Geschäftsleitung durch Spekulationen am Kaffeemarkt sein Handelsimperium ins Wanken brachten. Zwar konnte er durch eine sofortige Intervention das Schlimmste verhindern, verkaufte dann aber bald an die Neumann-Gruppe (NKG).

Cafea

Bei Cafea am Sandtorkai hingegen gehen die Kaffee-Muster der verschiedenen Lieferanten ein, die für mehrere Proberöstungen gebraucht werden. Der geröstete Kaffee wird anschließend aufgegossen und blind verkostet, um den besten Kaffee herauszufinden (5)

Während die NKG ihre Firmenzentrale inzwischen vom Sandtorkai in die neue Coffee Plaza in der HafenCity verlegt hat, bleibt Jan Beernd Rothfos seiner Speicherstadt, auf die er hanseatisch stolz ist, treu: „Damals haben unsere Stadtväter mit strategischer Weitsicht diesen einzigartig konzentrierten Handelsplatz geschaffen und mit der Zollfreiheit Hamburg zur führenden Rolle im Kaffeehandel verholfen.“ Eine Weitsicht, die bis heute nachwirkt.

Text: Michael Hertel, Fotos: Heinz-Joachim Hettchen (1, 4, 5), Cafea GmbH (2, 3)
Quartier 28, Dezember 2014–Februar 2015 , Rubrik:    
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