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Familientreffen

Hotelier Kai Hollmann, der Geschäftsführer des Schmidts Tivoli Norbert Aust und die Gebrüder Braun vom Miniatur Wunderland eröffnen gemeinsam das zweite Hotel im Überseequartier

Jetzt steht das Konzept: Auf dem letzten freien Grundstück im nördlichen Überseequartier soll ein „familienorientiertes Entertainment-Hotel“ entstehen. Aber sind das nicht zwei Themen, die sich widersprechen? Nein, denn hier sind Profis am Werk: Design-Hotel-Trendsetter Kai Hollmann weiß, wie man Hotels entwickelt, denen eine Idee zugrunde liegt. Das kann man im 25hours Hotel HafenCity überprüfen. Norbert Aust, Kulturmanager, Vorsitzender des Tourismusverbands Hamburg und Gründer des Schmidts Tivoli, ist Experte für vieles, unter anderem für Entertainment. Gerrit und Frederik Braun, die Erfinder, Betreiber und Weiterentwickler des Miniatur Wunderlandes, verstehen sich auf originelle Unterhaltung mit ausgeklügelten Details.

Alle vier sind Visionäre mit Bodenhaftung. Den Stein ins Rollen brachte Aust. Zunächst sprach er mit den Brauns, dann holte er Hollmann dazu, und schnell war klar, dass die Chemie stimmt. Doch wie finden „Hamburgs größte Macher“ (so die BILD) zu einem gemeinsamen Entwurf? Sie lassen sich Zeit. Aust erklärt: „Es ging uns nicht um ein Hotelinvestment, mit dem wir nichts zu tun haben, sondern wir wollten gemeinsam eine Idee verwirklichen. Dafür haben wir uns Zeit genommen. Dadurch haben wir uns kennengelernt.“ Auch Kollegen haben sie dazugeholt und Experten befragt. So nahm das Konzept Gestalt an, und der Name steht auch fest: „Hotel Pier 3 HafenCity“ soll das Haus heißen, in das voraussichtlich im Januar 2017 die ersten Gäste einziehen werden. „Pier“ wegen des maritimen Bezugs, „3“ wegen der drei Gesellschafter, der Familien Hollmann, Aust und Braun.

HollmannBraun

Ein genauso starkes wie ungewöhnliches Team: Kai Hollmann (links, 1), Frederik und Gerrit Braun (rechts, 2) und Norbert Aust (unten, 3)

Schnell war klar, dass kein reines Familienhotel entstehen sollte. „Bei Familienhotel dachte ich sofort an bayerischen Wald und Häkeldecken, was wir nun überhaupt nicht wollen“, erinnert sich Aust. Zudem soll der Begriff „Kinder“ weiter gefasst werden als in den meisten Hotels. Die Zielgruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen wird stärker in den Fokus rücken. Kein Wunder: Denn Hollmann und Aust haben beide Töchter im Teenager-Alter. „Kinder und Jugendliche sind selten in Hotels und eher abgeschreckt, wenn sie eine edle Lobby betreten“, argumentiert Hollmann. „Diese Schwelle wollen wir wegnehmen und das Hotel attraktiv machen für Jugendliche.“ Im Pier 3 soll es in der Lobby einen Empfangstresen geben und einen Kiosk, bei dem die Teenager gleich Karten fürs Kino buchen können, vielleicht für eine altersgemäße Schnitzeljagd durch die HafenCity, oder erfahren, was auf der Hafenbühne stattfindet, die ins Hotel integriert ist. Das wäre schon die Entertainment-Schiene.

Aust

Norbert Aust bringt es auf den Punkt: „Wir machen Kultur. Der Arbeitstitel für unser Hotel lautete ‚Besucherhaus‘. Für Besucher, die ins Tivoli wollen, die ins Miniatur Wunderland wollen, die die HafenCity sehen wollen. Unsere Idee ist, eine Anlaufstelle zu schaffen, in die auch Hamburger hineingehen können, und kein Hotel, wo die Gäste nur übernachten.“

Eine weitere Besonderheit ist die Kinderwelt im ersten Stock, wo Erwachsene nichts zu suchen haben. Es gibt einen Raum mit Angeboten für die kleineren Kinder bis maximal acht Jahre. Die Älteren bis 17 haben ihren eigenen Bereich mit Tischfußball und Spielkonsolen. Auch eine Bibliothek ist geplant, vielleicht sogar in Kooperation mit Verlagen. Am Tresen mit der Saftmaschine können sich die Kinder selbst bedienen. Einige Einzelheiten haben sich die Hotel-Planer von Kreuzfahrtschiffen abgeguckt. Aust, der lange für das Entertainment auf den AIDA-Schiffen zuständig war, hat die Verbindung zu den Experten vermittelt, die die Jugendprogramme auf den Schiffen entwickeln.

Hollmann und seine Mitstreiter wollen die Balance finden. Mit viel Empathie fühlen sie sich in ihre potenziellen Gäste ein. Jeder ist willkommen. Geschäftsreisende sollen sich wohlfühlen, junge Leute von Anfang 20 aufwärts, Eltern, Kinder und Jugendliche. Denn was gibt es Nervigeres als nörgelnde Kids? Die sollen nicht einfach in die Betreuung abgeschoben werden, sondern das Hotel wird ihnen etwas Spannendes bieten, beispielsweise den Kinobesuch. Und beim Kino im Haus wird ebenfalls ein Profi am Werk sein: Hans-Joachim Flebbe lässt ein Premium-Kino entstehen, nach dem Vorbild seiner Berliner Astor Film Lounge. Auch für Geschäftsreisende wird das interessant, wenn diese gegen Abend anreisen und beim Einchecken ihre Kinokarte für die 21.30-Uhr-Vorstellung des neuen James-Bond-Films reservieren können. Niemand braucht mehr abends mit dem Taxi durch die Stadt zu fahren.

Viele Details haben Hollmann, Aust und die Brauns schon ausgeknobelt. Vielleicht ist es diese Detailliebe, die den Unterschied macht zu herkömmlichen Hotels. Sogar die Einfahrtshöhe bei der Tiefgarage haben sie bedacht. Die muss nämlich so hoch sein, dass auch Familienautos mit höheren Aufbauten ohne Probleme passieren können. Der Zugang von der Garage muss barrierefrei sein, damit die Achtjährige mit Rollkoffer ohne Schwierigkeiten in die Lobby gelangt. 60 Prozent der 212 Zimmer werden einen dritten oder vierten Schlafplatz bekommen, sind also für Familien geeignet.

Eine weitere „Story“ ist die der umgebauten Wohnwagen auf einer Wiese auf dem Dach. Bevor die Bauarbeiten im März 2015 beginnen, haben die Planer genau überlegt, welche Geschichten ihr Hotel erzählen soll. Die Teenager-Story oder eben die Camping-Story: Wie viele Väter haben ihren Kindern schon versprochen, mit ihnen einmal unter freiem Himmel zu übernachten, doch dann wurde nichts daraus? Im Pier 3 haben sie die Möglichkeit, diesen Traum ganz ohne logistischen Aufwand wahr werden zu lassen.

„Familienorientiert“ bezieht sich auch auf den Zimmerpreis. „Wir wollen das preiswerteste Hotel im Zentrum der HafenCity eröffnen“, erklärt Hollmann, aber natürlich soll es kein Billig-Hotel werden, sondern ein „Mittelklassehotel im Drei-Sterne-Plus-Bereich mit wertigen Materialien“, aber nicht dem teuersten Holzfußboden. Alle vier Macher vertreten dieselbe Philosophie: Auch die Preise im Miniatur Wunderland oder im Schmidts Tivoli sind moderat. Für das Hotel denken sie nachhaltig, Einnahmen sollen vor allem über eine überdurchschnittliche Zimmerauslastung fließen.

hotelflaeche

Das Hotel, das auf dieser Fläche entsteht, hat zwar kein Fußballfeld, dafür aber eine eigene „Kinderwelt“, in der Erwachsene nichts verloren haben (4)


Was die Immobilie angeht, so hat der Entwurf des Architektenbüros Nalbach + Nalbach aus Berlin geschickt Rücksicht genommen auf die denkmalgeschützte Speicherstadt gegenüber, aber auch das lebendige, bunte Innere spiegelt sich außen wider. Die Fassade ist in dunkelrotem Backstein mit vier verschiedenen Verarbeitungen gestaltet, und bunte Farbtupfer bilden die Cubes, das sind farbige, leuchtende Glasvorbauten. „Die Fassade wird fünf Sterne“, stellt Hollmann zufrieden fest.

Dann gibt es die Hafenbühnen-Story. Am Wochenende könnten dort Gute-Nacht-Geschichten gelesen werden, vielleicht probt auch mal die HipHop Academy, und am Samstagnachmittag wird bei Astra und Curry-Wurst an der Bar die Bundesliga auf die große Leinwand übertragen. Die vier Herren pflegen einen dünkellosen Kulturbegriff und wollen die Infrastruktur bieten für zwanglose Unterhaltung. Die Glastüren der Bar können bei schönem Wetter zur Piazza geöffnet werden, dem Innenhof, der zwischen Hotel und angrenzendem Wohnhaus entsteht, wo Gäste windgeschützt sitzen können. Immobilienentwickler DC Commercial verhandelt noch mit Restaurants, die dort neben Hotel- und Kinogastronomie eröffnen könnten.

Die wichtigste Planungsprämisse fasst Hollmann zusammen: „Entscheidend ist, dass alles fließt. Die Hafenbühne etwa darf kein alleinstehendes Theater sein. Die Hafenbühne ist ein Teil der Bar, der Gastronomie, auch der Kinderwelt, der Hotelwelt.“ Wie wird das Miniatur Wunderland mit einbezogen? Den Hotelgästen sollen gezielt Karten angeboten werden für die Zeiten, an denen der Tourismus-Magnet nicht ausgelastet ist, etwa frühmorgens. Und: „Wir werden die Wunderland-Story mit einem Schmunzeln umsetzen, mehr verrate ich nicht“, deutet Hollmann an. Es fahren jedenfalls keine Eisenbahnen unter der Decke des Hotel-Restaurants.

 

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Christian Perl (1), Sandrina ven Undin (2), Thomas Hampel (3, 4)

Quartier 29, März–Mai 2015 , Rubrik:    
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