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Smart am Strom

Vom 1. bis zum 5. Juni treffen sich die Vertreter der globalen Hafenwirtschaft zur Welthafenkonferenz in Hamburg. Im Gespräch erklärt Sabine Stüben von der HPA, wie sich unser Hafen dabei als smartPORT der Zukunft präsentieren wird

Containertrucks

Containertrucks auf dem Weg zum Burchardkai der HHLA in Waltershof

Seit sich Vertreter der weltweiten Hafenwirtschaft zusammenfanden und im Winter 1955 die International Association of Ports and Harbors (IAPH) gründeten, ist die Organisation beständig gewachsen und zu einem globalen Netzwerk geworden, in dem sich heute etwa 200 Häfen in 85 Ländern organisieren. Über die Mitgliedshäfen werden etwa 60 Prozent des weltweiten Seehandels und etwa 80 Prozent des weltweiten Containerverkehrs abgewickelt. So viel zum Stellenwert der IAPH. Viele Mitglieder sind Hafenbehörden wie die Hamburg Port Authority, viele sind aber auch Repräsentanten von Unternehmen, die letztlich die gesam-te Lieferkette im Hafen abbilden: Terminalbetreiber, Reedereien, Zuliefererbetriebe oder Consultants, die Dienstleistungen rund um maritime oder hafenwirtschaftliche Angelegenheiten bieten.

Über die Mitgliedshäfen werden 60 Prozent des weltweiten Seehandels und 80 Prozent des weltweiten Containerverkehrs abgewickelt

Die große Konferenz der Organisation tritt alle zwei Jahre zusammen. Das Sekretariat in Tokio achtet darauf, dass sie einmal in Asien stattfindet, danach in Nordamerika und dann in Europa oder Afrika – was bei der IAPH als ein „Kontinent“ behandelt wird. 2013 fand sie in Los Angeles statt, davor in Busan. Und jetzt in Hamburg, wo sie das letzte Mal 1985 tagte. Als sich Hamburg in Los Angeles als nächster Austragungsort präsentierte, wurde als Konferenzthema das Stichwort smartPORT ausgegeben, um den besonderen Herausforderungen Hamburgs zu begegnen: Mehr Güter, mehr Umschlag, mehr Verkehr müssen über dieselbe Fläche abgewickelt werden, sollen aber gleichzeitig die Umwelt weniger belasten. Deshalb soll ein smarter, ein intelligenter Hafen Emissionen verringern und ein Verkehrsmanagement bieten, das die Verkehre im Hafen so effizient steuert, dass die zunehmende Belastung auf derselben Fläche abgewickelt werden kann. Einige Pilotprojekte sind auf dem Weg, andere in Vorbereitung. In jedem Fall werden die Teilnehmer der IAPH-Konferenz einiges zu sehen bekommen …

NautischeZentrale

In der Nautischen Zentrale gehen in Echtzeit Infos aller Verkehrsträger zu Wasser, Straße und Schiene im Hafengebiet ein (Foto: Sebastian Engels)

Als im letzten Oktober der Nationale IT-Gipfel in Hamburg stattfand, haben sich einige gefragt, was die HPA auf einer Konferenz zur Informationstechnik zu suchen hat.

Vielen ist nicht bewusst, welches Potenzial der Einsatz von IT für den Hafen birgt. Wenn wir zum Beispiel genau wissen, wann ein Schiff ankommt, kann eine Brücke just in time geöffnet und diese Information frühzeitig an Lkw-Fahrer kommuniziert werden. So können diese sich darauf einstellen und eine Pause einlegen oder eine Alternativroute wählen. Das Pilotprojekt smartPORT logistics, das unser Geschäftsführer Jens Meier auf dem IT-Gipfel präsentierte, hat bereits sehr gute Ergebnisse gezeigt. Die Anwendung ist auch schon für den Vertrieb freigeschaltet.

Ist die smartPORT-Initiative auch ein bisschen aus der Not geboren, weil der Hafen vor besonderen Herausforderungen steht?

Der Hafen liegt mitten in der Stadt, ist von ihr umgeben und hat natürliche Grenzen. Die direkte Nachbarschaft zur Wohnbebauung der Stadt, aber auch der hohe Wirtschafts- und  Durchgangsverkehr stellen die größten Herausforderungen dar. Wir müssen auf einer begrenzten Fläche mehr und mehr Verkehre abwickeln. Wenn wir Wachstum generieren wollen, geht das nur über die Steigerung von Effizienz.

Seit 2012 wurden mehrere Pilotprojekte gestartet, die zum Teil zur IAPH-Konferenz 2015 abgeschlossen sein sollten.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in den nächsten Jahren den Hafen zum smartPORT zu entwickeln. „Smart“ steht für Informationsaustausch, um Qualität und Effizienz des Hafens als wichtigen Teil der Lieferkette zu erhöhen. Es bedeutet aber auch, die Abhängigkeit des Hafens von konventionell erzeugtem Strom durch die Nutzung erneuerbarer Energien zu reduzieren. Unter dem Dach smartPORT hat die HPA daher zwei Säulen etabliert: smartPORT logistics und smartPORT energy. Wir haben den Ehrgeiz, auf der Konferenz nicht nur über Visionen zu sprechen, sondern auch konkrete Beispiele zu zeigen.

Welche? Zu den Zielen gehörte auch, bis 2015 bis zu sieben zusätzliche Windenergieanlagen im Hafen aufzubauen …

Es gibt viele Firmen im Hafen, die auf Windenergie setzen, wie zum Beispiel Eurogate. Wir sind dabei, weitere Standorte zu eruieren. Realistisch sind sieben bis zehn Anlagen in den kommenden Jahren. Im Rahmen der smartPORT energy-Initiative hat die HPA in der HafenCity zum einen die landseitige Infrastruktur errichtet, um künftig die Stromversorgung von Schiffen über eine Powerbarge zu ermöglichen. Zum anderen bauen wir seit Juli 2014 am Kreuzfahrtterminal Altona eine feste Landstromanlage. Der Bau dieser Anlage schafft wichtige Voraussetzungen, um den Ausstoß von Luftschadstoffen wie Stick- und Schwefeloxiden und Feinstaub sowie Kohlendioxid deutlich zu reduzieren. Zudem können wir auch die Schall-emissionen deutlich senken.

Hafen

Auch die Hafenindustrie ist gefordert, wenn es um die deutliche Verringerung von Emissionen geht (links), Auf begrenzten Flächen wie im Hamburger Hafen ist Effizienz der Schlüssel für einen prosperierenden Warenverkehr (rechts)

Bei diesen Projekten ist Hamburg wegen der Nähe des Hafens zur Stadt ganz besonders gefordert, wie man am Großen Grasbrook sehen kann: Man würde dort am Wasser gerne mehr Wohnungen bauen, aber die Emissionen der Kreuzfahrtschiffe machen das an einigen Lagen nicht möglich – es sei denn, die Emissionen der Schiffe würden bedeutend eingeschränkt.

Wir haben ganz bewusst mit den Kreuzfahrtschiffen begonnen, da beide Terminals auf der Stadtseite der Elbe in der Nähe von Wohngebieten liegen. Hier wollen wir noch schneller eine Reduzierung der Emissionen herbeiführen als im übrigen Hafengebiet.

Warum hat denn ausgerechnet das neue Kreuzfahrtterminal in Steinwerder weder Landstromanschluss noch LNG-Anlage? Hat das damit zu tun, dass es mitten im Hafen liegt und die Problematik dort geringer ausfällt?

Es hat im Wesentlichen damit zu tun, wann dieses Terminal fertig sein soll. Der erste Spatenstich war im vergangenen Sommer, im Juni dieses Jahres soll die Eröffnung sein. Außerdem kommen noch lange nicht alle Kreuzfahrtschiffe nach Hamburg, die entsprechende Vorrichtungen haben. Die Nachfrage nach diesen Lösungen werden wir sicherlich an den beiden bestehenden Terminals bedienen können.

Inwieweit steht die Errichtung des Kreuzfahrtterminals im Gegensatz zu den Flächenbedarfen der Hafenwirtschaft?

Die Fläche des neuen Terminals umfasst nur einen sehr kleinen Anteil des Gebiets, das Sie ansprechen. Es ist also keine Ersatzlösung. Außerdem war immer geplant, weitere Flächen durch Verfüllung alter Hafenbecken zu schaffen.

„Wir müssen auf begrenzter Fläche mehr und mehr Verkehre abwickeln. Wenn wir Wachstum generieren wollen, geht das nur über die Steigerung von Effizienz“

Wenn Hamburg Olympiastandort wird, werden die verfügbaren Flächen noch weiter verkleinert, zum Beispiel durch das Stadion auf dem Kleinen Grasbrook, wo heute unter anderem Unikai und das HHLA Fruchtzentrum stehen. Was bedeutet das für die HPA?

Was Olympia für uns bedeutet? Eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Wir sind für die Infrastruktur im Hamburger Hafen zuständig. Olympia ist eine Chance, den Hafen weiter zu modernisieren, noch effizienter zu gestalten und zukunftssicher in unserer Stadt zu integrieren.

Auf welche Vorteile kann der Hafen bauen?

Wir haben ein sehr großes regionales Ladungsaufkommen aufgrund der Konzentration von Produktion, Konsum und Distribution in der Metropolregion. Es gibt ein gutes Angebot an Logistikdienstleistungen und stabile Verbindungen mit wachsenden Wirtschaftsregionen. Neben der geografischen Lage ist das die Basis für den Erfolg des Hafens. Hamburg bietet auch eine optimale Weiterverteilung von Waren, und das auf umweltverträglichen Verkehrsträgern. Ein Großteil wird gleich über die Schiene abgewickelt und muss nicht erst über Straßen transportiert werden. Die Hafenbahn verfügt über 300 Gleiskilometer innerhalb des Hafens mit stark optimierten Abläufen, wobei effiziente Umschlagsmöglichkeiten durch digitale Lösungen für eine schnelle Weiterverteilung ins Hinterland sorgen können. Heute werden bereits 30 Prozent des Warenaufkommens im Hafen über das Schienennetz der Hafenbahn und die überregionalen Netze abgewickelt. Das ist ein großer Bonus, um den uns viele Häfen beneiden; manche haben nicht einmal Gleisanbindung. Die Zuwegung zu den Hafenflächen, der Ausbau der Verkehrsträger und die Möglichkeit für einen optimalen Warenstrom sind in Hamburg einmalig.

Stueben

Sabine Stüben versteht die Tagung der Welthafenkonferenz der IAPH in Hamburg als große Ehre für die Hansestadt

Das logistische Herzstück des smartPORT, die Nautische Zentrale, ist bereits im vergangenen Sommer eröffnet worden.

Am Beispiel der Nautischen Zentrale wird unsere Vision vom smartPORT sehr schön deutlich. Sie ist eine der modernsten Verkehrszentralen der Welt. Ermöglicht wird dies durch speziell entwickelte Programme und Technologien, zum Beispiel den Port Monitor, der allen Akteuren einen Überblick über die aktuelle Verkehrslage geben soll. Dieses Leitstandsystem wird seit 2012 in der Nautischen Zentrale eingesetzt und liefert in Echtzeit Daten und Informationen über Ereignisse und Zustände der Wasserstraßen im Hafen – wichtig für einen störungsfreien Verkehrsfluss der Schifffahrt. Seit 2014 umfasst es auch Informationen zur beweglichen Infrastruktur wie Brücken sowie zur Verkehrslage auf der Straße, und vor Kurzem wurde auch die Schiene integriert.

Ist die Infrastruktur im Hafen bereits so weit ausgebaut, dass Daten dieser Größenordnung in Echtzeit gesendet und verarbeitet werden können? Oder muss die Stadt hier noch investieren?

Die Hamburg Port Authority hat in der Vergangenheit Investitionen getätigt, um entsprechende Netze zu bauen, sodass wir innerhalb des Hafens die nötigen Voraussetzungen geschaffen haben.

Wie wird der smarte Hafen finanziert?

Das müsste man projektweise betrachten. Für den Bau der Landstromanlage in Altona zum Beispiel haben wir einen Zuschuss der Europäischen Union erhalten, weil die Kommission die Hoffnung hat, dass das Projekt Nachahmer findet. Hamburg wird durch diese Anlage als erster Kreuzfahrthafen konkrete Erfahrungen mit dem Betrieb eines festen Landstromanschlusses dieser Größenordnung in Europa und gleichzeitig mit dem Einsatz von Powerbargen sammeln. Andere Projekte sind aus dem HPA-Budget finanziert worden, aber auch durch private Projektpartner.

Private Projektpartner sind zum Beispiel an dem virtuellen „Marktplatz“ beteiligt: die DAKOSY AG, SAP und T-Systems. Auf diesem „Marktplatz“ sollen verschiedene Apps und Dienstleistungen angeboten werden, zum Beispiel zur Verfügbarkeit freier Parkplätze im Umland des Hafens, nahe gelegene Reparaturwerkstätten für Lkw oder auch ein Bestellservice für Schiffsvorräte. Zahlen Unternehmen dafür, wenn sie über den Marktplatz vermittelt werden oder ihn nutzen wollen?

Ja, sie müssen eine Lizenz für die Applikation erwerben. Wenn sie den Marktplatz nutzen möchten, ist eine geringe Gebühr vorgesehen.

Gibt es die Absicht, die Software SPL (smartPORT logistics) an andere Häfen weiterzuverkaufen?

SPL kann durchaus für andere Häfen interessant sein, und es gibt hier auch bereits Anfragen.

Verkehr

Damit der Verkehr zwischen Terminal, Straße und Schiene reibungslos läuft, wird zusehends auf IT-Lösungen gesetzt

2013 wurden 9,3 Millionen Container in Hamburg umgeschlagen. Bis 2025 sollen es auf derselben Fläche 15,4 Millionen werden, laut einer Potenzialanalyse sogar bis zu 25 Millionen. Inwiefern können smartPORT-Lösungen dazu beitragen?

Zunächst einmal ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Prognose handelt. Gleichwohl ist sie für uns Anlass, Prozesse und Maßnahmen zu analysieren. Mit Sicherheit ist eine intelligente Infrastruktur eine wesentliche Voraussetzung für den reibungslosen und effizienten Ablauf der Verkehre im Hamburger Hafen sowie letztlich auch der Warenströme. Die Digitalisierung von Prozessen entlang der gesamten Lieferkette und nicht nur hier innerhalb des Hafengebiets ist ein großer Schritt, um Vorgänge zu beschleunigen.

Wie zum Beispiel über das Verkehrsmanagement des Port Monitors …

Dadurch oder auch einfach durch die gezielte Weitergabe von Informationen. Durch Transport auf digitalem Wege sind Informationen praktisch in Echtzeit am Bestimmungsort, damit dann dort weiter disponiert werden kann. Würde das nicht geschehen, würde sich der Verkehr hier im Hafen immer weiter stauen. Lkw-Fahrer, die Verkehrsinformationen als App von ihrem Smartphone ablesen können, brauchen vor Terminalanlagen nicht darauf warten, hereingelassen zu werden, um ihren Container abzuholen. Sie können vorher kalkulieren, ob es jetzt überhaupt sinnvoll ist, das Hafengebiet zu befahren, oder ob es besser ist, eine Raststätte vor der Stadt anzufahren, die vorgeschriebene Ruhezeit einzuhalten und dann, wenn es erforderlich ist, just in time zum Terminal zu fahren. Das ist wiederum in unserem Interesse, denn jeder Lkw, der im Hafen steht und nicht fährt, nutzt Fläche, die andere Lkws nutzen könnten, die fahren müssen. Durch digitalisierte Informationen können viele Prozesse geschmeidiger werden, sodass wir dadurch auch Potenzial für Umschlag schaffen.

 

Text und Interview: Nikolai Antoniadis, Fotos: Thomas Hampel und Heinz-Joachim Hettchen
Quartier 29, März–Mai 2015 , Rubrik:    
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