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Wahre Werte

250 Jahre nach der Gründung der Patriotischen Gesellschaft blickt der düstere Backsteinbau an der Trostbrücke auf eine bewegte Geschichte zurück


Patriotische Gesellschaft

Von der Neogotik bis in das letzte Jahrhundert reicht die komplexe und an Wandlungen reiche Baugeschichte des Gebäudes. (1)

„Arbeitet man mit der Idee, Geld zu verdienen, bald fertig zu werden oder wohlfeilen Ruhm zu erlangen, so kann man es so weit bringen, durch solches unrechte Arbeiten ein Kommunist, ein Fortschrittsmann, zu werden.“ So leitete Theodor Bülau sein kleines Büchlein über das von ihm entworfene und 1847 fertiggestellte Haus der Patriotischen Gesellschaft ein. Er lässt wenig Zweifel daran, wie unzufrieden er mit der Ausführung war, etwa der „modernen landesverrätherischen Manier, die einzelnen Arbeiten (…) an den Wenigstnehmenden“ zu vergeben. Auch war ihm unbegreiflich, wieso „deutsche zweckmäßige hohe Dächer und Giebel in unzweckmäßige griechische flache umgeändert, deutsche Erker in französische Balkone verwandelt, Fenster anstatt nach Bedürfniß, nur nach Gefühl und Proportion vertheilt wurden“. Kein Wunder also, dass er in Widerspruch zu seiner Bauherrin geraten war, der „Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe“, genannt die Patriotische, die seit 1765 aufgeklärte Hamburger vereinte, die sich dem Gemeinwohl ihrer Stadt verpflichtet sahen – versinnbildlicht im Bienenstaat auf ihrem Wappen.

Bülaus düsterer Backsteinbau – der auf dem Grundstück des mittelalterlichen Rathauses steht, das während des Großen Brandes 1842 gesprengt worden ist, um die Feuersbrunst aufzuhalten (vergeblich, wie sich zeigte) – wurde fast 40 Jahre durch die Bürgerschaft finanziert, die den Großen Saal als Plenum mietete. Als das neue Rathaus 1897 endlich stand und die Bürgerschaft umzog, geriet die Gesellschaft wirtschaftlich in Schieflage, bis sich ein neuer Mieter fand: der 1922 gegründete Übersee-Club. Der übernahm die Betriebskosten, verlangte aber massive Änderungen. Das Haus erhielt vier neue Stockwerke und wurde gleichzeitig unter Denkmalschutz gestellt. Ein noch schwererer Einschnitt erfolgte 1943, erneut durch Feuer, als es nach mehreren Bombentreffern vollständig ausbrannte. Wegen der unsicheren Wirtschaftslage zog sich der Wiederaufbau durch den Architekten Friedrich Ostermeyer bis 1957 hin.

Patriotische Gesellschaft

Links der Große Saal, in dem bis 1897 die Bürgerschaft tagte (2, 3)

Patriotische Gesellschaft

Die heute charakteristischen Staffelgeschosse wurden erst 1923 aufgesetzt. (4)

Geprägt von diesen Bauphasen – Bülaus Originalbau, Verdichtung 1923/24 und Wiederaufbau –, war das Haus 2012 reif für eine gründliche Sanierung. Die Leitlinien, die der Architekt Joachim Reinig dabei zugrundegelegt hat, lesen sich wie das Motto der Gesellschaft selbst: Freiheit (für neue Gedanken), Klarheit (im räumlichen Konzept), Öffnung (zum Vorteil der Öffentlichkeit), Geschichte (ohne Überschwemmung) und Würdigung (besonderer Gestaltungen).

Als die Gesellschaft im April ihr 250-jähriges Bestehen feierte, war es, als wollte man sich doch noch mit Bülaus rauer, fast störrisch konservativer Haltung versöhnen. „Das Alter beweist die Güte einer Sache; das gilt von der Baukunst und allen andern Künsten“, hatte er seinerzeit gesagt. „Das Gute, das Wahre wird alt.“

Text: Nikolai Antoniadis; Fotos: Thomas Hampel (1), Jan-Rasmus Nippels (2, 3), Patriotische Gesellschaft Archiv (4) 
Quartier 30, Juni–August 2015 , Rubrik:    
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