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Im Winterquartier

„Das Meer erglänzte hinten und vörn, und links und rechts und daneben, wir saßen von Wogen umtost auf SCHAARHÖRN und knobelten um das Leben“

Schaarhörn
 

Schaarhörn

Die SCHAARHÖRN in ihrem Winterquartier im Sandtorhafen

Diese Zeilen schrieb der Dichter Joachim Ringelnatz im Ersten Weltkrieg. Er war beim Minensuchkommando in Cuxhaven und wurde im Salon der SCHAARHÖRN, dem Führungsschiff der Minensuchflotte, im Jahre 1917 zum Leutnant zur See befördert.

Aber die Geschichte dieses Schiffes begann schon etwas eher. Am Anfang stand ein Täuschungsmanöver. 1907 beauftragte das Amt für Strom- und Hafenbau bei der Hamburger Bürgerschaft Mittel für den Bau eines Peildampfers, also eines Vermessungsschiffs. Daraus wurde aber ein luxuriöser, schneller Zweischrauben-Dampfer mit modernster technischer Ausstattung – eigentlich hatte man nämlich ein standesgemäßes Schiff gewollt, um damit Kaiser Wilhelm II. durch den Hafen zu fahren (wozu es aber offenbar nie gekommen ist). Jahrzehntelang diente der schmucke Dampfer dann von Cuxhaven aus zur Seevermessung in der Elbmündung.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Dampfer zur Evakuierung von Flüchtlingen über die Ostsee abkommandiert. Nach Kriegsende verrichtete der Dampfer weiterhin Vermessungsarbeiten in der Elbmündung, bis er 1971 stillgelegt wurde. Er wurde an einen schottischen Lord verkauft und landete nach einer abenteuerlichen Fahrt im englischen Maryport. Dort wurde die SCHAARHÖRN schließlich wiederentdeckt und auf Initiative der Hamburger Handelskammer in die Hansestadt zurückgeholt – auf einem Dockschiff, denn auf eigenem Kiel konnte sie nicht mehr fahren.

Glücklicherweise hatte man die Originalpläne über den Bau des Schiffs in Cuxhaven wiedergefunden und war so für die notwendige Restaurierung bestens vorbereitet. Fünf Jahre dauerten die Arbeiten, die von „Jugend in Arbeit“ auf einer Werft in Harburg durchgeführt wurden, bis die SCHAARHÖRN im Jahre 1995 vom Hamburger Senat wieder in Dienst gestellt werden konnte und seither durch Gästefahrten auf der Unterelbe und auf der Ostsee wieder „ihre Kohle“ verdient – im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie ist eines der letzten Dampfschiffe, das mit Kohle beheizt wird und Passagiere befördert.

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Rainer Stück, Kapitän der SCHAARHÖRN (Foto: Rainer Stück privat)

Seit 2002 gehört das Schiff zur „Stiftung Hamburg Maritim“. Gefahren wird es von Besatzungsmitgliedern des Vereins „Freunde des Dampfschiffs SCHAARHÖRN“. Alle Mitglieder vom Kapitän bis zum Aufwäscher arbeiten ehrenamtlich. Warum? Weil sie Spaß daran haben, diese alte Lady zu pflegen und so möglichst lange in Fahrt zu halten! Es werden auch immer neue Besatzungsmitglieder gesucht; seemännische Vorkenntnisse sind dafür nicht erforderlich, jeder kann mitmachen. Also einfach mal an Bord kommen und sich das alles in Ruhe ansehen.

Von Mai bis Oktober macht die SCHAARHÖRN Gästefahrten auf der Unterelbe, fährt auch nach Cuxhaven und alle zwei Jahre durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Flensburg zum „Dampf Rundum“. Im Winter kann das liegende Schiff in seinem Winterquartier im Sandtorhafen für Feiern gechartert und am Wochenende besichtigt werden. Außerdem finden acht Ringelnatz-Lesungen an Bord statt, immer mit einem festlichen 3-Gänge-Menü. Gelesen wird unter anderem von Kapitän Rainer Stück, seit 20 Jahren ehrenamtlich auf der SCHAARHÖRN.

Text: Rainer Stück, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 32, Dezember 2015–Februar 2016 , Rubrik:    
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