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Zu Hause in der Fremde

Die Hamburger Seemannsmission bietet Seeleuten aus aller Welt für die Zeit ihres Aufenthalts ein kleines Stückchen Heimat.

Während philippinische Seeleute im Restaurant der Mission auf ihr Essen warten, finden sie die Zeit für ein Erinnerungsfoto.Während philippinische Seeleute im Restaurant der Mission auf ihr Essen warten, finden sie die Zeit für ein Erinnerungsfoto. Foto: Inka Peschke

Der gemeine Seemann ist „vor oder nach der Abmusterung durch die Versuchungen des Hafenlebens stark gefährdet. Er bedarf gerade dann der bewahrenden und sein sittliches und religiöses Leben schützenden Fürsorge der Mission.“ So sah es Julius Jungclaußen, seit 1891 als Seemannspastor des „Hülfskomitees für deutsche Seemannsmission“. Das Komitee, später in „Deutsche Seemannsmission in Hamburg“ umbenannt, war im selben Jahr von einer Gruppe aus Reedern, Kaufleuten und Politikern gegründet worden, um den Missständen im Landleben der Seeleute zu begegnen. Zu jener Zeit wurden in Hamburg jährlich 50.000 bis 60.000 Seeleute an- und abgemustert. Viele von ihnen wohnten in überteuerten Unterkünften, deren Inhaber sie nicht selten an Schiffe verkauften, sobald sie ihre Mieten nicht mehr zahlen konnten.
Heute wird zwar nicht mehr missioniert, aber die Bedürfnisse der Seeleute sind im Grunde dieselben geblieben: Sie verbringen zwischen acht und zehn Monaten pro Jahr auf Schiffen, die gleichzeitig Wohnung und Arbeitsplatz sind, auf engem Raum, in Gesellschaft von Fremden, fern von Heimat, Familie und Freunden. Für jede neue Anstellung werden sie von Heuergesellschaften aus aller Welt, aus Kiribati, von den Philippinen oder aus Indonesien, zu den Liegeplätzen geflogen. Vor und nach dem Crew-Change müssen sie irgendwo übernachten, und so kann die Seemannsmission mit ihren 83 Zimmern in einem Jahr fast 23.000 Übernachtungen verzeichnen. Das Haus am Krayenkamp ist aber kein Hotel, sondern für die meisten Seeleute für die Zeit ihres Aufenthalts auch ihr Zuhause.

Deshalb wird hier fast alles angeboten, was die besonderen Umstände des Lebens auf See nötig machen. Seeleute verwenden die Postadresse der Mission, die ihre Briefe verwahrt, bis sie zurückkehren. Im Kofferkeller wird Gepäck verwahrt, das Seeleute für die Arbeit brauchen, aber nicht für einen Urlaub in der Heimat. Es gibt Telefonkarten, Internetanschlüsse und Fernsehprogramme aus zahlreichen Ländern. Viele leiden nach jahrelanger Arbeit auf See unter Einsamkeit, denn ihr Arbeitsalltag lässt wenig Raum für dauerhafte Freundschaften. Kurze Liegezeiten im modernen Frachtverkehr und abgelegene Häfen verstärken dieses Problem. Die Folgen sind besonders für jene spürbar, die aufgrund ihres Alters oder nicht erteilter Gesundheitszeugnisse keine Heuer mehr bekommen und sich auf ein Leben an Land einstellen müssen. Im letzten Jahr hat die Mission 1.112 psycho-soziale Gespräche geführt und damit unverzichtbare präventive Sozialarbeit für die Stadt geleistet. Ihre Arbeit reicht vom vertraulichen Schwangerschaftstest für ein weibliches Besatzungsmitglied bis zur Betreuung von Kranken, die nach einem Unfall ins Krankenhaus müssen, sich dort, in einem fremden Land mit fremder Sprache, Gesellschaft wünschen. Andere, die jahrzehntelang auf deutschen Schiffen gearbeitet haben, verlieren ihre Rentenansprüche, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren. Seit April 2010 ist die Seemannsmission auch Partner der Seafarer’s Lounge im HafenCity Cruise Center, die sich an die Besatzungen von Kreuzfahrtschiffen richtet, die anders als Seeleute auf Frachtschiffen bisher keine entsprechenden Angebote erhielten. Das ist nicht zu vernachlässigen, denn allein 2011 werden über 100 Kreuzfahrtschiffe in Hamburg erwartet.

Spenden für die Seemannsmission

Die Seemannsmission ist von Sponsoren und Spenden abhängig. Eine gute Art der privaten Spende ist der Kauf des maritimen Weihnachtskalenders, den die Seemannsmission jedes Jahr herausgibt. Er kann bestellt werden bei der „Deutschen Seemannsmission in Hamburg e. V.“ im Krayenkamp 5 unter der Telefonnummer 040 . 37 09 61 33.

Text: Nikolai Antoniadis
Quartier 15, September–November 2011 , Rubrik:    
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