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HafenCity Kiez

Ist hier die 24-Stunden-Gesellschaft zu Hause, oder sagen sich Katz und Hund gute Nacht? Ein kurzer nächtlicher Streifzug durchs Quartier.

Wer Livemusik hören will, muss sich in der HafenCity abends nicht langweilen.

St. Pauli hat es, St. Georg hat es, das Schanzenviertel auch: pulsierendes Nachtleben, Menschen, die den Tag in Clubs, Restaurants oder Kneipen ausklingen lassen oder gleich die Nacht zum Tage machen. Straßen, auf denen man auch nach Ladenschluss nicht allein ist. Mit dem Partner, mit Freunden, Bekannten oder Unbekannten bei einem oder mehreren Drinks Erfahrungen und Erlebnisse austauschen, Musik hören, Spaß haben. Oder einfach nur andere beobachten, Musik hören und auch dabei Spaß haben. Sehen und gesehen werden, ist das Motto, das die Menschen täglich in die Szeneviertel zieht. Die HafenCity hat es (noch) nicht: Statt buntem Treiben herrscht hier angenehme Nachtruhe. Arbeitnehmer und Tagesgäste verlassen den Stadtteil, und zurückbleiben die Bewohner, bis am nächsten Morgen wieder Berufstätige und Touristen in den Stadtteil strömen. Soweit lautet das Klischee. Aber werden in der HafenCity wirklich abends die Bürgersteige hochgeklappt, oder ist hier ein Stadtteil entstanden, der nie schläft?

Die wachsende Gastroszene und viele After-Work-Partys ziehen besonders in den Sommermonaten Auswärtige in den neuen Stadtteil an der Elbe. Open-Air-Veranstaltungen als Teil des ELBJAZZ Festivals, Hafengeburtstag und kostenlose Livekonzerte locken Fans und solche, die es werden wollen, an die Elbe. Volksfeststimmung und dicht gefüllte Promenaden garantieren bis in die späte Nacht nicht nur die abendlichen An- oder Ausfahrten der QUEEN MARY 2, auch die Cruise Days mit ihrem Begleitprogramm sorgen dafür, dass es Besuchern und Anwohnern trotz später Stunde schwerfällt, ins Bett zu gehen. „Nach den exponierten Veranstaltungen“, denken viele, „wird es aber auch wieder ruhig und langweilig in der HafenCity.“

Club 20457: Viele kommen als Fremde und gehen als Freunde.

Eine ganz andere Meinung über die HafenCity bei Nacht vertreten dagegen die Gäste des Clubs 20457 am Überseeboulevard. „Ein besonderer Ort, an dem ich immer wieder neue Nachbarn kennenlerne“, sagt der Familienvater aus der Nachbarschaft, der ab und zu auf ein Feierabendbier vorbeikommt. Und der Gast aus dem nahen Designhotel, der erst einmal nur neugierig durch die Scheiben guckt, traut sich dann doch herein und freut sich über die lockere Atmosphäre, die er in diesem Stadtteil nicht vermutet hätte. Mit seinem Club 20457 – der Name steht auch für die Postleitzahl der Hafen-City – schafft Antonio Fabrizi „einen Platz für Menschen, die Freude an anderen Menschen haben, die eine gute Zeit verbringen und gute Gespräche führen wollen“. Dafür bieten er und sein Team Konzerte, Kunst, Lesungen und stets ein offenes Haus. Sein Konzept, das in der Zwischenzeit weit über die Grenzen des Stadtteiles bekannt ist und durch das Angebot an Livemusik zunehmend Erfolge verbuchen kann, kommt an. Der Club entwickelt sich zum Treffpunkt von Fremden und Freunden und wandelt sich vom Geheimtipp zur angesagten Location mit der notwendigen Lockerheit, die jede Hemmschwelle verhindert.

Für viele Musiker ist der Club 20457 bereits jetzt ein erstrebenswerter Auftrittsort, so für Sebó, einen ehemals rappenden Breakdancer, der als Singer-Songwriter mit Band vor ausverkauftem Haus auftrat. Handgemachte Musik ist hier sowieso zu Hause, wohl auch, weil der Club für die Semi-Profis aus der Nachbarschaft eine Bühne bietet, auf der fröhlich und wohlwollend auch Misstöne euphorisch beklatscht werden. Am Ende eines jeden Abends lässt sich eines feststellen: Dieser Club hat integrative Fähigkeiten. Viele, die als Fremde kommen, verlassen ihn als Freunde und sind wenige Tage später wieder da. Das Motto lautet: Wer will, kann sich hier ganz schnell wohlfühlen und ist willkommen. Auch wenn der Volksmund meint, dass eine Schwalbe noch lange keinen Sommer macht, beweist der Club 20457, dass eine einzige Location sehr wohl der Grundstein für eine noch spannendere HafenCity sein kann. Wer den Club betritt, erlebt, wie neue Projekte angedacht, diskutiert und angeschoben werden. Bevor manche Nacht zu Ende ist, kann es passieren, dass man eigene Ideen einbringt und sich als Teil eines Netzwerkes wiederfindet, das gemeinsam der HafenCity Leben einhaucht. Gute Nacht!

Text: Conceição Feist, Fotos: Thomas Hampel, Michael Klessmann
Quartier 18, Juni–August 2012 , Rubrik:    
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