« Zurück zur Übersicht

Voller Einsatz

Der Hafen macht zehn Prozent des Hamburger Staatsgebiets aus. Um hier für Sicherheit zu sorgen, ist viel Personal, Material und Engagement nötig
Rettungskraefte

Spaß mit ernstem Hintergrund: Die jährliche Übung beim Hamburger Hafengeburtstag stärkt die Zusammenarbeit der Rettungskräfte (1)

Der Hamburger Hafen – drittgrößter in Europa und als Containerhafen auf Platz 14 weltweit – ist als Wirtschaftsfaktor nicht nur Arbeits-, sondern auch „Spaßhafen“. Das offene Gewässer, das bis auf wenige Ausnahmen wie die als Tankschiffhafen gekennzeichneten Becken, frei befahrbar ist, wird nicht nur von Tankern, Massengutfrachtern, Autotransportern, Container- und Binnenschiffen befahren. Auch Barkassen, die Arbeitnehmer, Musicalbesucher oder Touristen durch den Hafen fahren, und private Segel- und Motorboote sowie die sich vermehrenden Kreuzfahrtschiffe tragen zur Erhöhung der Anzahl von Verkehrsteilnehmern bei.

Über 10.000 Seeschiffe erreichen Hamburg jedes Jahr. Der Hafen berührt 14 dicht besiedelte Stadtteile und ist Spielort für regelmäßige Events wie das weltweit größte Hafenfest, der Hafengeburtstag, oder für einmalige Ereignisse wie etwa die Auftaktveranstaltung des 34. Deutschen evangelischen Kirchentages in der HafenCity. Die Profis der Tourismusbranche denken bereits heute über weitere Attraktionen und Veranstaltungen auf, am und über dem Wasser nach.

Rettungskraefte

Übung zur Rettung Schiffsbrüchiger: Die Mannschaft des früheren Seenotrettungskreuzers FRITZ BEHRENS in Aktion (2)

So vielfältig wie der Hafen mit seinen 49 Kilometern Kaimauer, 140 Kilometern Straßennetz und 304 Kilometern Schienen ist, so vielfältig sind die Sicherheitsanforderungen. Für sie und damit für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und den Schutz der darin lebenden und arbeitenden Menschen sorgen viele Akteure, die hier nicht alle im Einzelnen erwähnt werden können. Mit dabei ist aber stets die Innenbehörde, als Dienstherr von Feuerwehr und Wasserschutzpolizei.

Rettungskraefte

Drei der vier Besatzungsmitglieder der FRITZ BEHRENS. Der vierte Mann fährt das 2.076 PS starke Schiff, das inzwischen nur noch zu Übungszwecken im Einsatz ist (3)

„Aus unbekannten Gründen traten beim Bunkern an einem 90 Meter langen Schiff circa 2.000 Liter Schweröl aus“, lautete im Juli 2014 eine Nachricht der Feuerwehr. Beim Eintreffen der Rettungskräfte waren 2.000 Quadratmeter Wasserfläche verunreinigt. Mithilfe eines Löschbootes wurden die Verunreinigungen „eingeschlängelt“ und eine weitere Ausbreitung gestoppt. Die fachgerechte Entsorgung übernahm eine private Firma; die Wasserschutzpolizei ermittelte. Ein Beispiel, das zum Glück weit weg ist von dem Super-GAU-Szenario, an dem Hamburg im Rahmen einer Risikoanalyse seine Investitionen und Sicherheitsmaßnahmen orientiert: der Unfall eines Schweröltankers mit dem Austritt von 15.000 Tonnen Schweröl. „Wir wissen nicht, was uns wirklich erwartet, wenn wir ausrücken“, sagt Andreas Harder, Leiter des Feuerlöschboot- und Wasserrettungszentrums der Feuerwehr, „aber wenn der Ernstfall eintritt, müssen wir gut aufgestellt sein.“ Aus- und Weiterbildung sowie Revierkenntnisse und Einsatzübungen sind neben der regelmäßigen Wartung der Löschboote unabdingbar. Von Oortkaten (Kilometer 607,5) bis Tinsdal kurz vor Wedel (Kilometer 639) sind die Besatzungen der Feuerlösch- und Ambulanzboote der Feuerwehr zuständig für alles, was an und auf der Elbe passiert, vom Barkassenunfall über den Großbrand von zwei Lagerhallen am Hammer Deich bis zum Schiffsbrand auf der ATLANTIC CARTIER. Und auch außerhalb ihres Reviers stehen die Feuerwehrleute im Rahmen der Zusammenarbeit der Bundesländer zur Verfügung. Sei es bei Einsätzen des Havariekommandos – eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer – oder bei der Schnelleinsatzgruppe Schiffssicherung.

Rettungskraefte

Löschboote der Feuerwehr bei einem Übungsmanöver im Hafen. Rechts im Bild ein sogenanntes Search and Rescue (SAR)-Schiff (4)

Prävention, Sensibilisierung für mögliche Gefahren, fachmännischer Umgang mit Zwischenfällen, aber auch eine große Portion Glück haben Hamburg bisher vor größeren Unglücken geschützt

 Kritik gibt es seit Langem an der mangelnden Einsatzfähigkeit der zwei Feuerlöschboote (Baujahr 1980 beziehungsweise 1982) und des Reservebootes (1985). Nicht nur die regelmäßigen berechenbaren Wartungen der etwa 30 Jahre alten Schiffe, sondern auch die zunehmenden unerwarteten Ausfälle sorgten dafür, dass zeitweilig keine funktionierenden Feuerlöschboote im drittgrößten europäischen Hafen zur Verfügung standen. Den dringenden Neubau eines dritten Feuerlöschbootes fordert nicht nur die politische Opposition aus Grünen und CDU. Auch das Strategiepapier 2010 der Hamburger Feuerwehr kommt zu dem Ergebnis, dass der Hafen über drei fest besetzte Löschboote und ein Reserveboot verfügen sollte, um die aktuellen Anforderungen erfüllen zu können. Doch der Senat hat die notwendigen Mittel in Millionenhöhe noch nicht bereitgestellt, obwohl während des Einlaufs der ATLANTIC COMPANION, die wie ihr Schwesterschiff ATLANTIC CARTIER strahlendes Material an Bord hatte, und während der Cruise Days, beide Löschboote nicht einsatzfähig waren.

Wasserschutzpolizei

Regelmäßige Revierfahrten gehören genauso wie die Verfolgung von Straftaten zu den Aufgaben der Wasserschutzpolizei, sowohl auf dem Wasser als auch an Land (5, 6, 7)

Allerdings würde kein Seeschiff über 500 Bruttoraumzahl (zum Vergleich: die QUEEN MARY 2 wurde mit 148.528 Bruttoraumzahl vermessen) den Hafen anlaufen, wenn er nicht nach den internationalen Vorschriften für die Abwehr von Gefahren für Schifffahrt und Hafenanlagen – kurz: ISPS-Code – zertifiziert wäre, ein Maßnahmenkatalog, der weltweit nach den Anschlägen vom 11. September erarbeitet und umgesetzt wurde. Der ISPS-Code dient dem Schutz der internationalen Handelsschifffahrt und der von ihr genutzten Anlagen vor terroristischen Angriffen. Zuständig für diese präventiven Maßnahmen und somit Designated Authority (DA) ist die Wasserschutzpolizei. Die Beamten der DA Hafensicherheit und ihre Kollegen von der Hamburg Port Authority (HPA) müssen sich bei ihrer Arbeit in die Gedankenwelt von Terroristen hineinversetzen. „Realistische Risikobewertungen setzen voraus, dass wir uns zum Beispiel Kaianlagen daraufhin anschauen, ob ein Anschlag für potenzielle Täter größtmögliche mediale Aufmerksamkeit erzeugen würde“, erläutert Hendrik Wierzbicki vom WSP 031 seine Aufgabe.

74 Hafenanlagen werden von der DA Hafensicherheit unter anderem darauf geprüft, ob Passagiere angegriffen werden könnten, wie die Beziehungen zu Israel und den USA sind und ob die Bevölkerung und die Umwelt von einem Anschlag betroffen wären. Absolute Sicherheit gibt es natürlich nicht. Sicher ist nur eins: Die Arbeit der Feuerwehr, der Wasserschutzpolizei und der vielen anderen Akteure im Hafen ermöglicht das Nebeneinander von Freizeit- und Arbeitshafen. Prävention, zertifizierte Sicherheit, Sensibilisierung für mögliche Gefahren, der fachmännische Umgang mit Zwischenfällen, aber auch eine große Portion Glück haben Hamburg bisher vor größeren Unglücken geschützt.

Eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und die Erkenntnis, dass Schiffe mit strahlendem Material nicht in der Nähe der Innenstadt anlegen sollten, dürften dieses Glück auch in Zukunft sicher.

Text: Conceição Feist, Fotos: Jonas Wölk (1, 2, 3, 4, 6, 7), Thomas Hampel (5)
Quartier 27, September–November 2014 , Rubrik:    
« Zurück zur Übersicht